1. Die Rinucci Brüder: Wenn golden die Sonne im Meer versinkt
aus dem Raum eilte und die Tür hinter sich zuschlug.
Sie war zu weit gegangen. Sie hatte kein Recht, so eine persönliche Frage zu stellen, das war ihr klar. Jetzt musste sie sich bei ihm entschuldigen. Kurz darauf kam er jedoch zu ihrer Überraschung ruhig und gelassen wieder herein.
„Fangen wir noch einmal von vorn an?“, fragte er fr eundlich.
„Gute Idee. Es war falsch, dass ich …“
„Ach, vergessen Sie es“, unterbrach er sie. „Wahrsc heinlich bin ich wirklich so schlecht, wie Sie glauben. Sie waren nur die Erste, die es ausgesprochen und nicht daran gedacht hat, dass es zuweilen klüger ist, taktvoll zu schweigen.“
Mit so viel Einsicht hatte sie nicht gerechnet. „Eins zu null für Sie. Aber ich halte Sie keineswegs für schlecht, sondern nur für unbeholfen , zumindest in gewisser Weise.“ „Ja, da haben Sie recht. Ich weiß nicht, was ich zu Mark sagen soll und was ich für ihn tun kann. Wir sprechen einfach nicht dieselbe Sprache. Als ich das Haus veräußert und dieses hier gekauft habe, wollte ich es ihm leichter machen, mit dem Verlust zurechtzukommen.“ „Ich wünschte, ich könnte Ihnen und Ihrem Sohn helf en.“ Sie seufzte. „Ich bin nicht mehr lange hier, werde jedoch mit Mark in Verbindung bleiben, wenn Sie nichts dagegen haben. Von überall her werde ich ihm schreiben.“
„Das würde ich sogar sehr begrüßen.“
„Gut. Dann sagte ich ihm jetzt Gute Nacht.“
„Danke für alles. Ich fahre Sie nach Hause.“
„Nein, das ist nicht nötig. Ich kann mir ein Taxi b estellen.“
„Miss Wharton, ich bestehe darauf, Sie nach Hause zu bringen“, erklärte er energisch und ging mit ihr nach oben.
Vor Marks Zimmer blieben sie stehen, und Evie klopfte an, ehe sie die Tür einen Spaltbreit öffnete.
„Ich bin noch wach“, rief der Junge.
Lächelnd betrat sie den Raum, setzte sich auf das Bett und umarmte Mark herzlich. „Ich wollte mich nur verabschieden. Danke für die Fotos. Die SD-Karte gebe ich dir in der Schule zurück.“
„Wie lange bleiben Sie noch hier?“
„Bis zum letzten Schultag.“ Sie küsste ihn auf die Wange. „Gute Nacht.“
Er umarmte sie auch. „Gute Nacht.“ Als er seinen Va ter erblickte, der auf der Türschwelle stand, zog er die Arme zurück. „Hallo, Dad“, sagte er höflich.
„Ich fahre Miss Wharton nach Hause.“
„Okay. Gute Nacht.“
Wenn er wenigstens seinen Vater anlächelte und ihn nicht so schrecklich höflich behandelte, dachte sie und ging mit Justin Dane die Treppe hinunter.
Dieser sprach kurz mit der Haushälterin, dann führt e er Evie zu seinem Wagen und hielt ihr die Beifahrertür auf.
„Wo wohnen Sie?“, fragte er, nachdem er sich ans St euer gesetzt hatte.
Sie nannte ihm die Adresse, und er fuhr los. „Es tut mir leid, dass ich Ihnen den Abend mit Ihrem Freund verdorben habe“, entschuldigte er sich unterwegs. „Was werden Sie ihm sagen?“
„Die Wahrheit. Was sonst?“
„Sind Sie etwa einer dieser schrecklich ehrlichen Menschen, die niemals lügen?“
Evie musste lachen. „Ganz so schlimm ist es nicht. Aber ich habe schon mit zehn Jahren die Erfahrung gemacht, dass man mit Lügen nicht weit ko mmt. Da drüben in dem Apartmenthaus wohne ich.“ Sie wies mit der Hand in die Richtung.
„Wo stellen Sie das Motorrad ab?“
„In der Tiefgarage. Sie können mich hier irgendwo a bsetzen.“
„Schade. Ich hatte gehofft, Sie würden mich zu eine m Drink einladen und wir könnten uns noch eine Zeit lang unterhalten.“
Ehe sie antworten konnte, läutete ihr Handy.
„Das ist sicher Andrew“, meinte Justin Dane. „Viell eicht können Sie den Abend mit ihm noch retten. Ich lasse Sie hier raus. Gute Nacht.“
Obwohl sie jetzt nicht mit Andrew reden wollte, hatte sie keine Wahl, sie musste aussteigen. Justin machte die Tür hinter ihr zu und verschwand mit hoher Geschwindigkeit in der Dunkelheit. Als sie sich am Handy meldete, stellte sich heraus, dass sich der Anrufer verwählt hatte.
Am nächsten Montag war Mark nicht in der Schule. Debra erzählte Evie in der Pause, sein Vater habe angerufen und ihn entschuldigt. Er hatte eine Erkältung und würde einige Tage zu Hause bleiben.
Da Evie ihm die SD-Karte möglichst rasch zurückgebe n wollte, steckte sie sie in einen wattierten Umschlag, bedankte sich schriftlich für die schönen Fotos, gab ihre E-Mail- Adresse an und schickte alles per Post.
In den folgenden Tagen fand zwischen ihnen ein reger Austausch per E-Mail statt, bis sie ihm
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