1 Fatale Bilanz - Ein Hamburg-Krimi
zu veranlassen, ehe ein dezentes Piepen das baldige Ende der Funktionen ankündigte. Er hätte sich Zeit lassen können, stattdessen lief er zu Alex’ Haus zurück. Das Fahrgestell des Kinderwagens war verbogen, der Stoff des Verdecks heruntergerissen. Bilder aus der Vergangenheit brachenüber ihn herein. Ein schwerbeschädigter Kindersitz. Ein total zerstörter Wagen … Nicht noch einmal. Er richtete den Kinderwagen auf.
Die Haustür war nur angelehnt. Sven schloss sie leise hinter sich, obwohl er sie am liebsten zugeknallt hätte.
Im Wohnzimmer knabberten die Kinder an Schokoladenkeksen, die vermutlich schneller als jeder mütterliche Trost die Tränen zum Versiegen gebracht hatten. Alex saß auf der Couch und hielt ihre Freundin im Arm, die immer noch zitterte. Als sie ihn sah, stand sie auf und kam auf ihn zu.
»Wer waren die Kerle? Hast du sie erkannt?« Ihre Hand fuhr zum Mund. »Entschuldigung, ich wollte nicht …«
Sven winkte ab. »Wir können uns ruhig duzen. Ich habe das Kennzeichen und eine grobe Personenbeschreibung. Vielleicht haben wir Glück und die Kollegen erwischen sie auf der A1. Meine Chancen zu Fuß gegen den Golf waren nicht so besonders.« Seine Bemerkung erzielte den gewünschten Erfolg, Britta lächelte flüchtig. »Einiges kann ich mir nach dem Anblick des Kinderwagens denken, aber ich brauche Details. Was ist passiert?« Dank der rechtwinkligen Couch saß er so dicht neben Britta, dass sich ihre Knie berührten, er sie aber gleichzeitig auch direkt ansehen konnte. Seine Frage vertrieb die letzten Anzeichen von Angst, und Wut blitzte in ihren Augen auf.
»Erst haben sie mir nur den Weg versperrt und dann …« Ihre Stimme brach, aber dann räusperte sie sich. »Der Größere von ihnen hat Jan aus dem Kinderwagen gerissen. Er hat natürlich sofort losgeheult.« Ihre Mundwinkel hoben sich leicht nach oben. »Jan meine ich. Nicht der Kerl.«
Ihr Humor nötigte Sven Bewunderung ab, aber er bekam kein Wort heraus.
»Der andere hat mich von hinten festgehalten. Und dann hat der Große den Kinderwagen umgekippt und dagegen getreten.« Brittas Blick huschte zu Alex. »Der andere Typ hat meinen Kopf an den Haaren zurückgezogen und gesagt, dass ich die Bank vergessen soll, sonst dürfte ich beim nächsten Mal zusehen, was sie mit meinem Sohn machen.«
Alex wurde kreidebleich. »Die Bank. Kranz.«
Die Schlussfolgerung lag nahe, obwohl Sven keine direkte Verbindung sah. Die Schüsse und der Angriff auf Britta trugen völlig unterschiedliche Handschriften.
»Darüber denken wir später nach, Alex.« Sein Blick kehrte zu den roten Malen auf Brittas Oberarmen zurück, aber er kämpfte die Wut nieder, dass der Kerl sie dort angefasst hatte. »Wie sahen die beiden … Angreifer aus?« Im letzten Moment vermied er eine zutreffendere Bezeichnung.
»Beide hatten dunkle Haare, fast schwarz. Dem Großen fielen sie bis in den Nacken, der andere hatte sie ganz kurz, nur ein paar Millimeter. Sie trugen dunkle Sonnenbrillen. Aber es ging alles so schnell. Ich weiß nicht einmal, was sie anhatten. Jeans glaube ich.«
»Das ist ganz normal, du hast schon mehr Informationen geliefert als viele Zeugen, die ich erlebt habe. Was meinst du mit ›groß‹?«
»Der Kleinere war so groß wie ich und kompakt, nicht dick, sondern eher wie einer dieser Bodybuildertypen. Der Große hatte ungefähr deine Größe, war aber ganz schmal. Du hättest bestimmt keine Probleme, mit ihm fertig zu werden.«
»Das wäre mir ein Vergnügen.«
Svens Handy klingelte, aber der Akku verabschiedete sich, ehe er die Verbindung herstellen konnte. Wortlos reichte Alex ihm das Mobilteil ihres eigenen Telefons.
Der Kollege in der Leitstelle betete die Fakten betont sachlich herunter, doch Svens Blick irrte automatisch zu Britta, und er malte sich aus, was ihr hätte passieren können.
Die neugierigen Mienen von Alex und Britta sprachen eine deutliche Sprache, und es machte keinen Sinn, ihnen Dinge zu verheimlichen, die sie am nächsten Tag aus der Zeitung erfahren würden. Es passte zu Alex, dass sie nicht wartete, bis er von sich aus anfing.
»Die haben uns verwechselt, oder? Die wollten nichts von Britta, sondern von mir. Deshalb der Spruch mit der Bank.«
»Das vermute ich auch. Hast du eine Idee, was die meinten?«
Alex erwiderte seinen prüfenden Blick offen. »Nein, nicht die Geringste. Ich überlege schon die ganze Zeit, was das bedeuten soll, aber ich weiß es nicht. Ehrlich.«
»Vielleicht ist es eine Sache, die
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