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1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

Titel: 1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra van Laak
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geschweige denn selbst zu grüßen. Die Haustür wurde täglich mehrmals zugewummert, so dass das Marmeladenglas auf unserem Küchentisch wanderte. Die Mülltonnen räumten immer nur wir wieder an ihren Platz. Und sie ließen nachts die Haustür sperrangelweit offen stehen, damit ihr verfetteter Kater ein und aus gehen konnte. Hinzu kam das Futter im Treppenhaus, das für das bewegungsfaule Tier gleich an zwei strategischen Punkten plaziert wurde: direkt am Hauseingang (ein Fest für Sonne, Fliegen, Gärungsprozesse) und auf dem Treppenabsatz nach oben. Dies hatte eine Geruchsentwicklung zur Folge, für die Millie ein Wort erfand: Katzenbrech.
    »Mama, bei uns schimpfst du, aber die da oben dürfen lauter Mist machen.«
    Ich gab den Kindern recht, zugleich schwor ich meine Bande erneut auf dieselbe Freundlichkeitslinie ein, versprach ihnen aber, mit den Nachbarn von ganz oben zu reden. Diese kamen mir jedoch zuvor, als wir (kleine Freude für die Kinder, die nichts kostete) ein Lagerfeuer im Garten machten.
    »Wir schalten das Ordnungsamt ein, nur dass Sie Bescheid wissen. Ist ja wie bei den Zigeunern hier.«
    Am nächsten Morgen befand sich in den Schuhen meiner Kinder und um sie herum vor der Wohnungstür eine große, gelbliche Pfütze. Ja, genau, Katzenpisse. Diese Flüssigkeit an sich ist schon schlimm genug, aber in den Kinderschuhen bedeutet dies: wegschmeißen, aber sofort. Vier Kinderschuhpaare neu kaufen war eine Investition, die ich mir nicht leisten konnte. Vier gebrauchte Schuhpaare zu organisieren war billiger, kostete aber enorm viel Zeit. Ich war erbost und stellte die Katzenbesitzer zur Rede. Ich habe noch das teigige Gesicht der Katzenmutti vor mir, die ausdruckslosen Augen, die Lippen, zwischen denen sich weiße Spuckereste zogen, als sie sagte: »Können wir doch nichts für, dass unser Kater mal muss. Wenn Sie auch Ihre Schuhe draußen stehenlassen müssen.«
    Eigentlich war es ganz simpel: Der Kater hatte bei den Menschen in der zweiten Etage denselben Stellenwert wie die vier Kinder für mich. Es fiel mir unglaublich schwer, dies zu akzeptieren. Das Tier wurde gehegt und gepflegt und gepampert und getragen und beschmust, mit dem allerfeinsten Essen versorgt. Die Besitzerin garnierte das Katzenbrech gerne noch mit einem Blättchen Petersilie, was die Fliegen sicherlich nicht beeindruckte, aber auch nicht zu stören schien. – Dass der Einkauf von vier Paar Kinderschuhen, sei es neu oder gebraucht, für mich kein Klacks war, wäre ihnen nie in den Sinn gekommen. (Vielleicht sparten sie sich ja selber das Katzenstreu vom Munde ab.) Sie ahnten nicht, dass ich mich krummlegte, um meinen Kindern einen einigermaßen unbeschwerten Alltag zu ermöglichen, was mir nur teilweise gelang.
    Erst kürzlich sagte Till nachdenklich zu mir: »Mama, das konnten wir uns früher nicht leisten.« Auf meine Frage, was er denn meine: »Na, dass wir einen Fernsehabend machen und jeder von uns eine ganze Chipstüte essen kann.« Nun hängt das Glück gewiss nicht vom Verzehr von Kartoffelchips ab, aber ich empfand die Gewichtung von Kater hier – vier kleine Kinder da als geradezu unmoralisch.
    Meinen Nachbarn muss es umgekehrt genauso gegangen sein. Anders kann ich mir ihr Verhalten nicht erklären. Als seien sie einem übermäßigen Konkurrenzdruck ausgesetzt, taten sie alles, um uns zu zeigen, dass sie in ihrem Dasein als Katzenbesitzer im Recht seien.
    In den nächsten Sommermonaten stank der Flur regelmäßig nach dem Katzenharn, es half keine Beschwerde, kein Bitten, kein Flehen. Wir verschlossen die Haustür – die Nachbarn schlossen sie wieder auf, und so weiter, die ganzen Spielchen, für die ich mich irgendwann schämte. Ich war bereit, wie die liebenswürdige Anja über uns in eine Resignation hinüberzugleiten, um mich nicht ständig ärgern zu müssen. Ihr Mann Jörg, ein riesiger Kerl (vormals bei den Feldjägern, jetzt spezialisiert auf schwer erziehbare Jugendliche), hatte noch schneller aufgegeben und wünschte dem dicken Tier einen schnellen Tod durch verfettete Arterien.
    Ein Handwerker, der den Wasserzulauf in der Küche bei mir reparieren kam, bot sich freundlich an, den Kater auf seine Weise zu entsorgen. »Ab in den Sack und dreimal kräftig gegen die Hauswand schlagen.« Mir wurde fast schlecht.
    Der Sommer ging vorbei, Lagerfeuer, Nächtigen unter dem Sonnenschirm als Ferienersatz, Kindergeburtstage unter Lampions – und die mehrfache Androhung, das Ordnungsamt, die Polizei, die Feuerwehr

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