1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe
ihnen allen bin ich sehr dankbar. Dennoch spürte ich deutlich den Zwiespalt, in den mich das brachte. Ich setzte mich ständig dem Druck aus, mich erkenntlich zeigen zu müssen – dabei war es vor allem der Unmut über die eigene Hilflosigkeit, der meine Gefühlslage beherrschte. Ein Mal jedoch wurde ich von der Aussage eines Helfers überrumpelt, der den Kindern einfach so einen neuen Schreibtisch gesponsert hatte. Er brachte das Möbelstück persönlich vorbei und baute es fachgerecht im Kinderzimmer auf, obwohl er als Manager eines großen Dienstleistungsunternehmens wenig Zeit hatte.
»Ganz herzlichen Dank, das ist uns eine wirklich große Hilfe, vielen, vielen Da…«, freute ich mich.
»Nicht bedanken«, entgegnete der Helfer ernst, »bitte nicht bedanken. Wissen Sie, ich bin steinreich. Nicht bedanken.«
Und dann fuhr er ohne ein weiteres Wort wieder davon.
Mit der Last des geschenkten Kleides in der Tüte verabschiedete ich mich gefasst von der Sekretärin – sie wird mein Verhalten als tiefe Rührung interpretiert haben.
Wie komme ich aus dieser Klemme?, überlegte ich auf dem Nachhauseweg. Einerseits war das Kommunionkleid-Problem gelöst, andererseits hatte ich ein neues: Wie sollte ich Frieda dazu bringen, dieses Kleid zu tragen? Was würde geschehen, wenn der anonyme Sponsor am Weißen Sonntag sein Kleid nicht in der Menge der Kommunionkinder wiederfinden würde? War ich undankbar? Ich verfluchte meine Klemme, beschloss aber kurz vor der Wohnungstür, Frieda zum Tragen des Kleides zu überreden. Manchmal muss man eben die Zähne zusammenbeißen, meine liebe Tochter! Zwei Dinge bedachte ich dabei nicht: den untrüglich guten Geschmack meiner Tochter und ihrer Geschwister und die Tatsache, dass die Kinder einfach genug hatten vom Zähne zusammenbeißen.
Am Abend rief ich Jonas, Till und Millie zu einer Verschwörung zusammen. Frieda war gerade unter der Dusche.
»Ich habe hier ein Kommunionkleid für Frieda geschenkt bekommen. Es ist ganz, ganz toll. Frieda soll das unbedingt tragen. Und sie wird es gleich anprobieren, und ihr sollt alle, hört ihr, alle, sagen, wie gut es ihr steht.«
»Mama, können wir es mal sehen?«, fragte Millie.
»Nein, erst wenn Frieda es angezogen hat. Und ihr sagt ihr alle, wie schön es ist, klar?«
Die Kinder nickten.
Ich brachte Frieda dazu, die weiße Geschmacksverirrung anzuprobieren, wohlweislich in einem Zimmer, in dem es keinen Spiegel gab, so dass sie zunächst auf das Feedback ihrer Geschwister angewiesen war. Feierlich trat sie aus dem Zimmer heraus und präsentierte sich den anderen in der Küche.
Es herrschte Totenstille. Ich brach eilig in Schreie der Verzückung aus, die ungehört verhallten. Frieda blieb verunsichert in der Mitte der Küche stehen und hörte auf, sich zu drehen. Millies Gesicht zeigte einen Ausdruck kindlichen Erstaunens und der Irritation. Ihre Augen wanderten an den wild drapierten weißen Spitzen des Oberteils auf und ab. Till hingegen guckte verlegen zu Boden. Dann trafen sich meine Blicke mit denen des Ältesten. Er guckte entschlossen und sagte geradeheraus:
»Mama, dieses Kleid würde ich noch nicht mal meinem schlimmsten Feind antun.«
Frieda starrte Jonas an, dann mich, sah meinen betretenen Blick, und fing bitterlich an zu weinen. Till versuchte krampfhaft, nicht zu lachen, und stierte weiter auf den Boden, seine mageren Schultern zuckten dabei. Millie umarmte Frieda und zupfte sanft an der weißen Stoffglocke.
»Frieda, ist doch nicht so schlimm. Guck mal, das Unterteil geht doch eigentlich.«
»Das ist der größte Horror in Weiß«, prustete Till drauflos. Ich warf ihm böse Blicke zu. Frieda schluchzte, ich nahm sie in die Arme und zog ihr das Kleid wieder aus. »Komm, wir finden eine Lösung. Haben wir bisher doch immer.«
Das weiße Ungetüm wurde wieder in die Tüte gestopft, und wir überschliefen das Ganze erst einmal.
Beim Frühstück kam Frieda auf Millies Aussage zurück.
»Ich finde das Unterteil auch nicht schlecht, Mama. Können wir das nicht abtrennen, und dann ziehe ich das als Rock an? Wir können ja ein weißes T-Shirt kaufen, ist nicht teuer, darüber ziehe ich dann eine weiße Strickjacke. Leih ich mir von Melanie, die hat so eine, die mir passt.«
Genau so wurde es gemacht. Anfängliche Bedenken, das großzügig gespendete Kleid einfach zu zerschnippeln, schoss ich in den Wind, denn schließlich wollte ich mein Kind glücklich sehen, nicht den anonymen Sponsor. Alles eine Frage der
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