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1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

Titel: 1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra van Laak
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mündete – und dann hörten meine Fotoalben auf. Niemand dokumentiert gerne den eigenen Abstieg, der sich in den Gesichtern der Familie spiegelt.
    Für mich war es ein Glück, dass die vielen Fotoalben Frau Herbkes Vita lückenlos begleiteten. Sie hatte als eine der ersten weiblichen Auszubildenden Ende der Dreißigerjahre eine Lehre als Fotografin gemacht. Sie war die einzige weibliche Angestellte in einem berühmten Fotoatelier am Brandenburger Tor gewesen, das ausschließlich Prominente porträtierte.
    »Herr Hitler, Herr Goebbels, alle sind sie da gewesen. Da war richtig was los, kann ich Ihnen sagen.«
    Auch die großen Unternehmer und Industriellen gehörten zum erlesenen Kundenstamm. Sie habe dort die glücklichsten Jahre ihres Lebens verbracht, beteuerte sie. Dann heiratete sie sehr jung in den letzten Kriegsjahren einen der begüterten Unternehmer, der zwanzig Jahre älter war als sie. Es wurden rauschende Feste gefeiert, und man war mit allen Nazi-Größen der Zeit befreundet. Vom Krieg selbst habe sie nichts mitbekommen. Ihr Hermann habe Glück gehabt mit den Juden, da habe er einiges aufbauen können, denn die seien ja alle weggelaufen und hätten die Fabriken herrenlos hinterlassen. Aber der Hermann, der habe sich gekümmert. Leider zwar immer weniger um sie, aber so sei das mit den Männern.
    »Wir machen einen Ausflug, ich zeige Ihnen, wo die Herren wohnen!«, rief sie. Welche Herren? Ich hievte sie vorsichtig in den kleinen Dienstwagen, der für Besorgungen vor dem Bungalow bereitstand, und wir fuhren zwei Stunden lang durch den Südwesten Berlins, durch Schöneberg, Grunewald, Dahlem, Zehlendorf, Wannsee. In manchen Straßen musste ich anhalten, sie zeigte mit ausgestrecktem Finger auf alte, große Häuser und Villen.
    »Da wohnt Herr Hermann Göring, ist aber jetzt nicht da, wenn der mal nicht gerade in der Heide ist, na ja, der hat ja auch immer diese Morphium-Probleme, da muss er sich auch mal im Grünen erholen.«
    »Und dahinten, fahren Sie mal weiter und dann rechts, dahinten wohnt Herr Hermann Fischer, wissen Sie, der Bankier. So weit wollte es mein Hermann auch immer bringen. Mein Gott, der hat es auch schön da. Herr Joseph Goebbels ist aber immer etwas eigen, der wohnt gerne auf seiner Insel im Wannsee.«
    Zuletzt ließ Frau Herbke den Wagen in Dahlem vor einem massiven Atelierbau aus dunklem Backstein in der Nähe eines Waldstücks stehen. Sie schaute versonnen zu den großen Atelierfenstern hoch.
    »Ach, Herr Arno Breker ist immer noch der Netteste. So höflich. Und so ein kreatives Genie. Aber er scheint nicht zu Hause zu sein.«
    Am nächsten Tag ging es weiter mit den letzten vier Alben. Auf den Fotos verwandelte sich die strahlende, lustige, freiheitsliebende Blondine zu einer traurig aussehenden Frau mit hängenden Schultern. Jedes einzelne blonde Härchen auf den Fotos war perfekt frisiert, sie war stets an der Seite ihres Mannes, der Reden hielt, Bänder durchschnitt, dem applaudiert wurde, der Geschäftsräume eröffnete. Nur auf einem einzigen Foto sah ich sie mit ihrem Sohn. Ich sprach sie darauf an.
    »Ach, da hatte man ja immer Kindermädchen für. Der hat mich gar nicht gestört.«
    Welch ein Glück hatte ich, von vier Kindern stets gestört worden zu sein!
    Auf einem anderen Bild sah man sie an einem Banketttisch sitzen, sie schaute versonnen in die Ferne. Ihr Mann hielt eine Rede, sie hatte ihre beringte Hand um ein Glas Weißwein gelegt. Auf einem weiteren saßen sie im Garten ihres Chalets, der Mann rauchte Zigarre mit einem Freund, sie hielt ein Cocktailglas in der Hand. Zwei Seiten weiter: Sie saß an dem weißen Flügel und spielte. Vor ihr ein Glas, in dem sich der Rotwein sanft kräuselte. Wir mussten mittlerweile in den frühen Achtzigern angelangt sein, auf einem Foto sah man eine etwa Sechzigjährige, die allein auf einem Liegestuhl in der Sonne saß, auf dem Tischchen neben ihr stand ein Cocktail mit Schirmchen.
    Lasst sie doch trinken, dachte ich, wieso soll diese mittlerweile weit über achtzig Jahre alte Frau ausgerechnet jetzt auf Entzug gesetzt werden?
    »Da sind wir nicht mehr zusammen in Urlaub gefahren, nur noch ich alleine an den Gardasee. Da hat mich keiner gestört, wenn ich meine Cocktails bestellt habe.«
    »Wo war denn Ihr Mann?«, fragte ich.
    »Ach der«, sie winkte verächtlich ab. »Der war immer unterwegs. Geschäftlich und wegen der Weiber.«
    »Sie sind doch Fotografin. Haben Sie denn gar nicht mehr als Fotografin gearbeitet?«
    »Pah,

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