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1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

Titel: 1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra van Laak
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Ergebnis: Die Elternschaft wollte nicht – wie in anderen Gemeinden mittlerweile üblich – alle Kinder in den gleichen weißen Gewändern zum Gottesdienst in die Kirche schicken. Darunter hätte ein jedes Kind tragen können, was es bzw. die Eltern für richtig hielten. (Nach dem Kirchgang hätten alle die Gewänder wieder ablegen können.) Stattdessen sollten sich die Kinder für die heilige Messe festlich herausputzen, die Jungen im dunklen Anzug, die Mädchen im weißen Kleid. In der Reihe vor mir tauschten sich zwei Mütter bereits über den besten Hairstylisten aus.
    Ich gehörte zu der Handvoll Eltern, die die neutralen Gewänder favorisiert hatte, und es gab nach der Entscheidung für die Laufsteg-Variante jetzt wieder ein Problem mehr für mich.
    Im Laufe der Vorbereitungszeit auf die Feier der heiligen Kommunion schob ich die Kleider-Sorge als nicht dringlich zur Seite. Drei Wochen vor dem Termin sprach mich Frieda jedoch bang auf die Kleiderfrage an. Die Kinder hatten eine Methode entwickelt, bei schwierigen Fragen behutsam an mich heranzutreten. Eingeleitet wurden solche Gespräche meist mit einer freiwillig gekochten Tasse Kaffee, begleitet von Auskünften zur Schule allgemein, zum aufgeräumten Zustand des Kinderzimmers, einem kleinen Kompliment zu meiner Frisur oder Ähnlichem. Noch heute wittere ich sofort eine Problemlage, wenn mir eines der Kinder ungefragt einen Milchkaffee bringt. Erfreulicherweise ist das inzwischen meist falscher Alarm.
    Frieda sagte mir, sie wolle kein gekauftes Kleid, ein gebrauchtes täte es auch, nur weiß müsse es sein. Ich tat mich in einschlägigen Textil-Discountern um, mit schlechtem Gewissen zwar, aber wenn einem das Wasser bis zum Halse steht, werden einem die Arbeitsbedingungen der dortigen Angestellten oder die Unfair-Trade-Baumwolle herzlich egal. – Es gab dort nichts, was auch nur im Entferntesten an ein Kommunionkleid erinnert hätte. Also auf zu Karstadt und so weiter. Schöne Kleider, leider nicht im Budget. Frieda wurde zunehmend nervöser, ich gleich mit. In der vorletzten Vorbereitungsstunde für die Kommunionfeier musste Frieda im Pfarrheim von unseren vergeblichen Versuchen erzählt haben, denn ich bekam zwei Tage später einen Anruf von der Pfarrsekretärin, ich möge bitte im Büro vorbeikommen, da habe jemand etwas für mich abgegeben.
    Ich flitzte auf dem Rad hin, betrat das nach altem Holz riechende Büro und sah, wie sich die Sekretärin soeben Kaffeesahne in die Tasse goss. Mit einem dicken Schmatzer löste sich ein Sahnepfropf aus dem Kännchen und plumpste in die schwarze Brühe. Sie rührte genüsslich um, dann sah sie mich erst.
    »Ah, hier ist eine Tüte für Sie, warten Sie mal, wurde heute Morgen abgegeben.«
    Sie holte einen knisternden Beutel unter ihrem Schreibtisch hervor und reichte ihn mir über die Tasse hinweg.
    Ich schaute kurz hinein. Weißer Stoff, irgendwo ein Etikett, etwas Spitze, eine Schleife.
    »Wer hat das denn abgegeben?«, fragte ich.
    »Keine Ahnung, war ein älterer Herr, kannte ich auch nicht. Ist aber für Sie, hat der Mann gesagt. Zeigen Sie doch mal!«
    Ich zog das Etwas aus der raschelnden Tüte. Es war ein blütenweißes Kommunionkleid, an dem ein Preisetikett baumelte. Der Preis war unkenntlich gemacht. Das Kleid war funkelnagelneu. Der Stoff war eine edle Baumwolle, er glitt seidig durch meine Hände. Der untere Teil des Kleides war eine schlichte, in mehreren Schichten sich tuffig aufplusternde Stoffglocke. Der obere Teil des Kleides allerdings war ein Feuerwerk des schlechten Geschmacks. (Ich schämte mich für dieses Urteil.) Riesige Puffärmel mit dicken glänzenden Schleifen mündeten in einem über und über mit Spitze besetzten korsettähnlichen Leibchen. In den Ausschnitt war eine gardinenähnliche Spitze eingesetzt, die sich bei der Trägerin die gesamte Halspartie bis zu den Ohren hochschrauben musste.
    »Was für ein hübsches Kleid!«, rief die Sekretärin und vergaß, weiter in ihrer Tasse zu rühren.
    »Wirklich, jaja, was für ein schönes Kleid!«, stimmte ich ein und wusste nicht, welches Gefühl gerade bei mir überwog: Rührung, gepaart mit Dankbarkeit, oder Verblüffung, über so viel gruseliges Design. Sehr schnell stellte sich noch ein Gefühl ein: ein schlechtes Gewissen. Da gab es diesen großzügigen Spender, und ich fand das Kleid hässlich. Wie gemein von mir, dachte ich und packte das Kleid wieder in die Tüte zurück.
    Es gab immer wieder Wohltäter während der mageren Jahre,

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