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1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

Titel: 1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra van Laak
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Grundkenntnisse in Französisch, in Hebrä…«
    »Vielen Dank, meine Dame, vielen Dank«, unterbrach mich der Mann, ich hörte ein Lächeln in seiner Stimme. »Kennen Sie sich mit juristischer Fachterminologie aus?«
    Aha, dachte ich, ein Anwalt, der eigentlich eine Rechtsanwalts- und Notargehilfin bräuchte.
    »Nein, aber die juristischen Begriffe kann ich mir schnell aneignen. Ich habe eine schnelle Auffassungsgabe. – Um was geht es denn genau bei der Arbeit?«
    Der Herr holte Luft, er kiekste vergnügt, ich wusste, jetzt würde ein kleiner Vortrag folgen, nun hatte ich höflich seinen Ausführungen zu lauschen. Ein kleines »Ach so«, »Tatsächlich?«, »Ich verstehe«, eingewoben in den selbstgefälligen Redefluss, das mögen sie alle, auch die eigentlich Netten, Sympathischen, das kann nie schaden. Ich kann das, wie so viele andere Frauen auch, mich klein, milde und eine Nuance dümmer stellen, das wirkt auf die meisten Männer-Chefs beruhigend, und man bekommt schnell einen besseren Zugang zu ihnen.
    »Passen Sie mal auf. – (Klar, bin ganz Ohr.) – Ich bin ein vielbeschäftigter Mann. – (Und ich hänge den ganzen Tag auf dem Sofa und lackiere meine Fingernägel.) – Ich brauche jemand Intelligentes, der mir die Arbeit mit der Korrespondenz abnimmt. – (Das bedeutet, er sucht eine Assistentin, die ihm die Wünsche von den Lippen abliest.) – Meine Dame, ich habe jetzt den Weg durch alle Instanzen hinter mir. Als Nächstes folgt der Europäische Gerichtshof.«
    Jetzt wurde ich hellhörig. Was war denn nun sein Anliegen?
    »Um was geht es denn genau?«, fragte ich teilnahmsvoll, versuchte, diese unschlagbare Mischung aus klugem Nachfragen und Unbedingt-belehrt-werden-Wollen hinzubekommen.
    »Passen Sie auf. – (Ohne diesen Vorab-Appell schien es nicht zu gehen.) – Wenn man wie ich seit elf Jahren darum kämpft, dass der eigene Status von Rechts wegen anerkannt wird, muss man einen langen Atem haben. Sie werden mich dabei unterstützen, es ist sehr aufwendig mit all diesen Schreiben, Sie verstehen. Allein die monatlichen Briefe an die Stadtverwaltung, an den Oberbürgermeister und an den Bundespräsidenten …«
    »Verzeihung«, wagte ich eine vorsichtige Unterbrechung seiner immer eifriger werdenden Ausführungen, »um was für einen Status geht es denn dabei?«
    »Passen Sie mal auf, meine Dame. Die Leserbriefe an die großen Tages- und Wochenzeitungen habe ich noch nicht erwähnt. Sie müssen die deutsche Rechtschreibung einwandfrei beherrschen, ich will mich schließlich nicht lächerlich machen. Bei einem solch gewichtigen Vorhaben muss man auch immer an die Nachwelt denken. Ich hoffe, Sie schreiben ein exzellentes Deutsch?«
    »Ja, natürlich. Entschuldigen Sie – ich habe immer noch nicht verstanden, um was es genau geht.«
    »Meine Dame, hören Sie gut zu. – (Er konnte variieren, in der Tat.) – Conceptual Artist, das sagt Ihnen sicher etwas? Konzeptkünstler. Ich schaffe mit meinen Arbeiten neue Perspektiven für Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Ich habe mein gesamtes Schaffen in den Dienst des künstlerischen Friedens gestellt. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, und die großen Museen dieser Welt werden dies erkennen und mir große Ausstellungen widmen. Ich kämpfe für meine Anerkennung. Die Auflehnung gegen die Institutionen ist wichtig. Man muss endlich begreifen, dass mein Engagement unbezahlbar ist und ich ein regelmäßiges, angemessenes Salär vom Staat beziehen muss. Ich habe es verdient. Das Anrufen der Gerichte zeigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Der Europäische Gerichtshof …«
    Ach, du liebe Zeit, wie kam ich jetzt da raus? Ich sah mich in einem kleinen, vor Akten und Blättern überquellenden Büro sitzen und Diktate aufnehmen, während dieser Querulant hektisch auf und ab ging, um mir mit Schaum vor dem Mund Hasstiraden auf den Staat und die Menschheit im Allgemeinen in den Nacken zu giften. – Ich musste schnell zum Punkt kommen.
    »Verzeihung«, unterbrach ich ihn wieder, »aber kann es sein, dass Sie diese ganzen Klagen um ihrer selbst willen führen?«
    Die Sonate im Hintergrund klang aus. Es wurde sehr still.
    »Frau van Laak, Sie sind ein ganz großes Arschloch!«
    Ich legte auf.

    Das nächste Stellenangebot, in dem eine Privatsekretärin gesucht wurde, markierte zugleich das Ende meines Job-Mäanderns. Doch zunächst führte mich die Anzeige zum Vorstellungsgespräch in ein vornehmes Berliner Villenviertel. Ich wagte es nicht, mein

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