1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe
glatt.
»Zurzeit hasse ich besonders Herrn Michael Naumann. Seinen Namen im Zusammenhang mit Kultur zu hören, tut mir körperlich weh.«
Mir fiel nichts ein, was ich darauf hätte entgegnen können. Beipflichten? Bloß nicht, das hätte womöglich eine Diskussion gegeben. Widersprechen? Dann würden die Aussichten auf diesen Job schrumpfen. »Wie interessant« oder etwas Ähnliches sagen? Grässlich. Lieber schweigen.
Ich saß ganz still und überlegte, ob Herr M. vielleicht eine Privatsekretärin bräuchte, um sein Hassbuch abzutippen, oder ob diese Person vielleicht die von ihm Gehassten telefonisch kontaktieren sollte oder ob man Hassenswertes recherchieren musste. Und so weiter.
»Aber lassen wir das. Das Hassbuch ist nicht entscheidend«, fuhr Herr M. fort und legte den Band beiseite. »Ich bin Dichter, wissen Sie. Ich benötige eine gute Korrekturleserin und jemanden, der meine Prosa ins Englische überträgt. Ich denke, mit Ihren Referenzen sind Sie die Richtige dafür.«
Was hieß das jetzt? Ich habe den Job?
»Drei Vormittage in der Woche, für vier Stunden, Beginn 9 Uhr, unten in meinem Büro. Sie bekommen eine monatliche Pauschale, wie heißt das, diese Vierhundert-Euro-Sache. Machen Sie alle Details mit meiner Frau aus, sie erwartet Sie unten im Büro.«
Klasse, dachte ich, eine verlässliche Einnahmequelle, Arbeitszeit stimmt, aber vom Deutschen ins Englische? Ich bin doch keine Muttersprachlerin.
Vorsichtig wies ich Herrn M. darauf hin, dass die Übertragung vom Deutschen in eine Fremdsprache immer ein native speaker machen solle. Ich könne guten Gewissens vom Englischen in meine Muttersprache übersetzen, aber nicht umgekehrt.
Der schöne Poet wollte davon nichts wissen, schüttelte mir die Hand zum Abschied und meinte, er würde mich morgens um 9 Uhr im Büro erwarten. Und jetzt habe er Wichtigeres zu tun, als sich meine Bedenken anzuhören. Ich solle mich jetzt an seine Frau wenden.
Ich verließ den weiß, weiß, weißen Raum-Kokon und stieg leise die Holzstufen hinunter. Am Fuß der Treppe empfing mich wieder die lächelnde, osteuropäische Maid. Sie führte mich in einen anderen Trakt des Hauses, offenbar das Büro und die Verwaltungszentrale des Dichterimperiums. In einem kleinen, hellen Raum erwartete mich die weiße Dame von vorhin – ja, sie trug dieses wunderbare Seidenkleid mit großem Blütenmuster. Der Stoff legte sich in feinen Falten um ihre schmale Figur. In dem in Weiß gehaltenen Raum wirkte sie wie eine kostbare Meißener Statuette.
»Frau van Laak«, fing sie an. Sie ließ sich nichts davon anmerken, dass sie mich vor einer halben Stunde so brüsk zum Dienstboteneingang verwiesen hatte. »Wir müssen noch ein paar Dinge besprechen.«
Sie regelte mit mir die Details des Vierhundert-Euro-Jobs, wiederholte noch einmal die Arbeitszeiten und bekräftigte noch einmal den Wunsch des Dichters, mich als Übersetzerin für seine Prosa engagieren zu wollen. Ich dachte fest an die vierhundert Euro, die die Kinder und ich nun im Monat zusätzlich zu meinen schlechtbezahlten Drehbuchübersetzungen haben würden, und sah großzügig über die skurrilen Momente dieses Vorstellungsgesprächs hinweg.
»Es gibt noch ein Detail, das Sie wissen müssen.« Frau M. hob ihre Stimme und senkte ihren Blick, ihre Augen wanderten an meinem Hosenbein entlang. (Hatten meine Hosen wirklich einen dicken Fleck von der Fahrradkette abbekommen?)
»Mein Mann und ich möchten, dass alle, die in diesem Haus arbeiten, im Rock oder im Kleid zur Arbeit erscheinen.«
Ich war mir nicht ganz sicher, wie sie das meinte. »Natürlich, Frau M.«, antwortete ich schnell. »Ich lege selbst Wert auf ordentliche Kleidung, wie Sie sehen können. Ich werde immer darauf achten, in adäquater Garderobe zu erscheinen.«
»Sie haben nicht richtig verstanden, Frau van Laak. Rock oder Kleid. Sie haben in Rock oder Kleid zu erscheinen. Dazu flache Schuhe. Keine Hosen.«
Was war das denn jetzt? Eine Art Arbeitsuniform oder so? Und warum unbedingt ein Rock? Warum kein Anzug? Ich wagte eine vorsichtige Nachfrage.
Frau M.s Gesichtszüge froren ein. »Rock oder Kleid. Oder soll es etwa daran scheitern?«
Sollte es daran scheitern? Ich dachte angestrengt nach. Ich hatte doch im Vorbeigehen die anderen Hausangestellten gesehen. War da nicht eine in Jeans dabei gewesen? Lieber nicht drauf rumreiten, das könnte nach hinten losgehen.
Mit meiner mündlichen Zustimmung zur speziellen Kleiderordnung dieses Arbeitgebers begann
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