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1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

Titel: 1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra van Laak
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und Brot standen, von anderen speziellen Vorgängen in der feinen Villa. So hatte zum Beispiel der Vorname der Hausherrin geändert werden müssen, weil er nicht elegant genug klang. Aus der bürgerlichen Birgit M. wurde eine avantgardistische Chloé. Wenn Post ankam, bei der im Adressfeld der alte Vorname Birgit stand, so mussten der Umschlag bzw. das Anschreiben sofort vernichtet werden. Es durfte keine Birgit in der weißen Villa mehr geben. Dies hätte die vollkommene Schönheit der Stätte entweiht.
    Einmal wunderte ich mich, dass ein groß angekündigter Gast aus den USA, ein berühmter Literaturwissenschaftler, für geschlagene zwei Stunden in einem kleinen Warteraum im Souterrain ausharren musste. Bereits eine Woche zuvor war im Haus oben mit den Vorbereitungen für den Empfang des hohen Gastes begonnen worden, nun war er da, jedoch wurde er direkt durch den Dienstboteneingang geschleust und im Keller geparkt. Der ruhige, sympathisch und bescheiden wirkende Mann wartete geduldig und blätterte in einer Ausgabe des Lettre, die ich ihm – verlegen, weil er so seltsam behandelt wurde – als Lektüre gebracht hatte.
    Svetlana kam kurz darauf mit Neuigkeiten von oben aus den Räumen der Herrschaft hinunter zu uns. Herr und Frau M. hätten bemerkt, dass der Ami unpassend gekleidet sei. Daher habe man ihn nicht am Hauptportal empfangen können und Svetlana gebeten, den Gast an der Pforte abzufangen und zum Dienstboteneingang zu geleiten. Nun würden sie da oben beraten, wie sie ihn wieder loswerden könnten. Ich brachte dem amerikanischen Herrn ein Glas Wasser und scannte unauffällig sein Outfit. Ja, der Anzug wirkte etwas schäbig, mein Gott, aber er war keine Zumutung. Unter den Hosenbeinen schauten weiße Socken hervor, gut, keine Ausgeburt des guten Geschmacks, aber in diesem Irrenhaus wurden die einfachsten Grundregeln der Menschlichkeit einem fast schon religiös aufgeladenen Schönheitsempfinden geopfert.
    Ich lief wieder zu Svetlana und bat sie, dem Herrn wenigstens einen Kaffee zu bringen, um die unwürdigen Umstände etwas abzumildern. Svetlana schüttelte den Kopf, das sei ihr bereits verboten worden. Am nächsten Tag erfuhr ich, dass der Gast aus den USA unverrichteter Dinge wieder hatte abreisen müssen, das Gala-Dinner zu seinen Ehren jedoch am Abend wie angekündigt stattfand. Das Fehlen des renommierten Literaturwissenschaftlers wurde den Geladenen damit begründet, er habe vorzeitig wegen eines Trauerfalls abreisen müssen. Meine Wut wuchs weiter.
    Meine Zeit bei den M.s war nur von kurzer Dauer. Sie wurde jedoch nicht – wie ich es mir so oft frierend auf dem Fahrrad ausgemalt hatte – von mir selbst beendet.
    Herr M. betrat an einem späten Nachmittag, an dem ich besonders lange an den Korrekturfahnen für eine seiner Dichtungen feilte, das kleine Büro im Souterrain. Es war schon dunkel draußen, alle anderen Angestellten waren gegangen, und ich brütete im Schein der großen Deckenleuchte über den Papieren.
    Ich erschrak über die steinernen Gesichtszüge des Dichters. Er habe meine Übersetzungen einem britischen Freund zu lesen gegeben, fing er an. Dieser Freund habe sich nicht besonders begeistert gezeigt. Herr M. erklärte unsere Zusammenarbeit für beendet.
    Ich versuchte, mich zu rechtfertigen, ich sei eben keine Muttersprachlerin, das habe ich von Anfang an gesagt. Herr M. ließ nichts davon gelten. In wenigen harten Worten wurde ich abserviert, und obwohl ich die Fiesheit hinter der Prachtfassade dieses Glamour-Paares so verabscheut hatte, so war ich doch auf die Arbeit angewiesen und war bereit gewesen, mich mit den Verhältnissen zu arrangieren. Erst das Fressen, dann die Moral.
    Ich machte noch einen letzten Versuch, fühlte mich jedoch erbärmlich dabei. »Herr M., vielleicht sollten wir einen native speaker als Co-Lektor mit hinzuziehen, das könnte …«
    Herr M. schüttelte ärgerlich den Kopf und räusperte sich.
    »Ach wissen Sie, Frau van Laak, wir haben Sie sowieso nur Ihres wohlklingenden Namens wegen eingestellt.« Dann stand er auf, im Hinausgehen betätigte er den einzigen Lichtschalter des Raumes und ließ mich im Stockfinstern sitzen.
    Die plötzliche Dunkelheit war wie ein Schlag ins Gesicht, ich hörte das Tak-Tak der rahmengenähten Budapester, auf denen sich Herr M. eilig im dunklen Gang entfernte, dann ein lautes Türenknallen. Ich tastete mich unsicher zum Ausgang, machte Licht im Flur, zog meinen Mantel über und stieg in der dunklen, dumpfen, eisigen

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