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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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sieh dir das an. Nie im Leben ist das Zeug nur das, was an Deck verstaut wurde. Die Hälfte davon mindestens stammt aus dem Frachtraum. Der Rumpf muss stark beschädigt sein.«
    De Vil iers antwortete nicht, aber seinem Gesicht war anzusehen, dass er derselben Ansicht war. Er bohrte seine Fäuste in die Hosentaschen und trat einen aufgebrochenen Kistendeckel über den Sand. »Diese verfluchten Halunken«, knurrte er.
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    »Mein silbernes Teeservice«, schrie eine der älteren Frauen auf und riss hektisch alles aus ihrem Koffer, was die Räuber noch zurückgelassen hatten. Ihr Teeservice blieb verschwunden, und auch eine gute Wolldecke war weg, wie sie kurz darauf herausfand.
    Der Herr, dessen Pferd sich in den Busch geschlagen hatte, wanderte mit gesenktem Kopf herum und rief es beim Namen. Er trug die Überreste eines mausgrauen Gehrocks aus feinem Tuch, das modische, ehemals weiße Hemd darunter hing in Fetzen, und eine breite Schramme zog sich über die rechte Hälfte seines Gesichtes. Aber seine Kleidung, Art und Sprache waren die eines gebildeten Mannes. Catherine erkannte ihn jetzt als den Passagier, der mit seiner Frau die größere der zwei Deckskabinen belegt hatte.
    Die alte Dame, der das Piano gehörte, bat zwei junge Männer, den Deckel des Flügels mitzunehmen. »Er wird einen hervorragenden Tisch abgeben«, bemerkte sie. »Es ist schließlich bestes Mahagoni.«
    »Dann nehmen wir die vier Beine auch gleich mit«, antworteten ihre Helfer und brachen die Klavierbeine kurzerhand ab.
    Johann und Catherine streiften zwischen dem Treibgut herum, und Johanns Gesicht verdüsterte sich mit jedem Schritt. Als er seine Werkzeugkiste entdeckte, fand er seine schwärzesten Vermutungen bestätigt. Sie war im Frachtraum verstaut gewesen. Er bückte sich. Der Deckel war aufgebrochen, der Inhalt geplündert worden. Nur ein Hammer war in den Sand gerutscht und von den Dieben übersehen worden. Wütend ging er weiter und stand bald darauf vor den Trümmern eines Pfluges.
    »Das war meiner«, knurrte er und trat dagegen.
    Catherine, die sich nach der Kiste mit ihrer Bettwäsche umgesehen hatte, blieb neben ihm stehen. »Kann man ihn nicht reparieren?«
    »Ich werd's versuchen, aber viel Hoffnung habe ich nicht. Ich werde die Teile mitnehmen, vielleicht können mir meine Zulus neue Griffe schmieden.« Er packte den zerstörten Pflug und zog ihn hinauf zum Rand des Büschs außer Reichweite der auslau
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    fenden Wellen. Dann ging er hinunter zum Meer. In der Brandung schwammen Trümmer allerlei landwirtschaftlicher Geräte und losgerissene Teile der White Cloud. Eine halbe Meile lief er am Rand des Wassers entlang und suchte nach dem kleinen Kasten, den er dummerweise in der Kabine vergessen hatte. Er enthielt Pulver des Fieberrindenbaums, das er dringend benötigte, denn schon seit Tagen spürte er, dass ein neuer Fieberanfall drohte. Es hatte ihn eine Stange Geld gekostet. Für den Preis einer einzigen Dosis würde er fast zwanzig Pfund bestes Rindfleisch bei Dick King in Durban bekommen. Noch wichtiger aber war eine andere Kiste, die Weizensaatgut und drei Setzlinge des Fieberrindenbaumes enthielt, des Cinchona, die ein Freund für ihn aus Bolivien herausgeschmuggelt hatte. Das Land hatte Samen und Setzlinge mit striktem Ausfuhrverbot belegt, um das Monopol zum Export der Rinde zu schützen. Sein Freund war ein großes Risiko eingegangen, aber er hatte es geschafft, ohne erwischt zu werden. Seine Reise dauerte über fünf Monate, und es war nur seiner intensiven Pflege zu verdanken, dass die Setzlinge die lange Zeit lebend überstanden hatten. Den Verlust der Weizensaat konnte Johann zur Not verschmerzen, aber die kleinen Bäumchen waren lebenswichtig für die Zukunft von Inqaba. Ohne sie würde er dem Wechselfieber nichts entgegenzusetzen haben, das eine der größten Geißeln Natals und Zululands war. Die Menschen starben wie die Fliegen daran, besonders für Europäer war es tödlich, so wie es letztes Jahr Gerald, Peter und vier weitere seiner Freunde erwischt hatte. Noch hatte er ihren Tod nicht verkraftet.
    In der heißen, regnerischen Zeit um die Jahreswende waren die Männer in mehreren Booten den Umfolozi zum St.-Lucia-See hinuntergerudert.
    Flusspferde und Wasservögel wollten sie jagen, die dort in großen Scharen lebten. Doch ihr Unternehmen stand von Anfang an unter einem schlechten Stern. Der Umfolozi war, wie alle anderen Flüsse Zululands, mit Krokodilen verseucht. Schon in den frühen Morgenstunden

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