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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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ihres ersten Tages bekamen sie gefräßigen Besuch. Die Krokodile schwammen im Schutz des weit übers Wasser hängenden Ufergrüns geräuschlos 240
    bis ans Boot, das die Jagdhunde trug. Zwei der Panzerechsen setzten ihre Klauenfuße auf den Bootsrand, das Boot kippte, und die Hunde landeten im Wasser.
    Die Krokodile schlugen mit ihren mächtigen Schwänzen das Flusswasser zu blutigem Schaum, während sie einen nach dem anderen verschlangen. Dann legten sie sich, träge von ihrem Fressgelage, in die Sonne und ließen sich von den flinken Madenhackern die Zähne säubern.
    Das Schreien der todgeweihten Hunde hatte die Männer in die Flucht getrieben; sie ruderten, bis sie ihre Arme nicht mehr bewegen konnten, und setzten ihre Boote für die Nacht auf eine Sandbank. Sie schleppten ihre Zelte weit genug die Uferböschung hoch, um aus der Reichweite dieser urweltlichen Monster zu sein. Als die Sonne tief über den Hügeln stand und die blauen Schatten im Flusstal lagen, erhoben sich dichte Moskitowolken und fielen über sie her. Bald waren sie mit stark geschwollenen Stichen übersät, und sie entzündeten in fliegender Eile in jedem passenden Behälter, den sie finden konnten, Kuhdungfeuer, um mit dem beißenden Rauch die lästigen Insekten zu vertreiben. Sie erstickten fast selbst daran, aber es half nichts. Keiner wurde verschont, und alle fühlten sich kurz darauf krank und fiebrig.
    Als Erster starb Gerald, nach einer Woche erwischte die Malaria zwei der anderen, und zum Schluss blieben nur Peter und sein schwarzer Begleiter übrig. Als er fühlte, dass er sterben würde, schickte er den Jungen weg. Später berichtete dieser Junge, dass er nach einer Stunde heimlich zurückgekehrt sei und seinen Herrn tot aufgefunden habe. In den Monaten darauf starben noch weitere acht weiße Jäger, auch in Durban erwischte es einige.
    Seitdem war Johann von der Idee besessen, Cinchonabäume anzupflanzen, und hatte sich an den Mann in Bolivien gewandt. Mit Chinarindenpulver würde er die Geschichte Natals und Zululands verändern, dessen war er sich sicher. Er plante, die Bäumchen an verschiedenen Stellen zu ziehen, bis er den idealen Standort gefunden hatte. Sieben Grad war das Kälteste, das der Cinchona überstehen würde, und die Temperatur fiel in
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    Zululand im Winter nachts an einigen Stellen noch tiefer - doch nicht auf Inqaba. Er würde die Setzlinge an einen sonnigen Platz pflanzen und mit Mauern gegen Wind schützen. Das würde ihren Ansprüchen genügen. In zwei Jahren, so hoffte er, würde er die erste Chinarinde ernten können.
    Jeden Fußbreit suchte er am Strand ab, lief mehr als eine Meile nach Norden, doch seine Suche war vergeblich. Von der Kiste, in der die Cinchonabäumchen in Töpfen aufrecht verpackt waren, und auch von dem Medizinfläschchen fand er keine Spur. Mit hängenden Schultern kehrte er zu seiner Frau zurück. »Ich glaube, eine weitere Suche hat keinen Sinn.
    Lass uns gehen.«
    Sie hielt ihn am Ärmel zurück. »Aber sieh doch, die Kiste, die dort in der Brandung schwimmt! Ich glaube, es ist meine mit der Bettwäsche. Komm, hilf mir, sie an Land zu ziehen.« Sie rannte ihm voran geradewegs ins Wasser.
    Sofort erfasste sie die Strömung, zerrte an ihrem Rock und riss ihr die Beine weg. Vor Johanns entsetzten Augen verschwand sie in der nächsten Welle. Mit Riesensätzen sprang er hinter ihr her, schluckte Seewasser.
    Doch bevor er sie erreichte, tauchte sie prustend auf und fand auf einer Unterwassersandbank Boden unter den Füßen, packte die Kiste und stemmte sich gegen die Strömung. »Es ist unsere«, keuchte sie und hielt sie, bis er sie erreicht hatte.
    »Mach das nie wieder«, brüllte er über das Tosen der Brecher. »Du hättest leicht ertrinken können. Ich habe Todesängste um dich ausgestanden.«
    »Das war vollkommen unnötig, ich kann schwimmen wie ein Fisch«, schrie sie zurück. Gemeinsam schleiften sie die Wäschekiste aufs Trockene, und sie wartete ungeduldig, bis er den Deckel geöffnet hatte.
    Natürlich war die Wäsche völlig durchnässt, und die Farben waren an einigen Stellen ineinander geflossen, aber nach kurzer Prüfung stellte sie fest, dass alles noch da war. Aufatmend schloss sie den Deckel wieder und sah sich um.
    Holzteile, Möbelstücke, triefnasse Wäschebündel, ein Vogelkäfig ohne seinen Bewohner waren angeschwemmt worden, die Karten eines Kartenspiels trieben vor dem Wind über den
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    Strand, hüpften wie ein bunter Vogelschwarm über die weite Fläche.

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