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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Kinder gesehen? Die drei kleineren meine ich. Sie sind verschwunden.«
    »Aber sie waren doch mit Ihnen im Boot?« Catherine unterdrückte ein Gähnen.
    »Ja, und diese schrecklichen Wilden haben sie als Erste an Land gebracht. Ich habe ein wenig geruht, und die meiste Zeit haben die Kleinen in meiner Nähe gespielt, aber plötzlich waren sie weg, und nun kann ich sie nicht mehr finden.« Sie schluchzte auf.
    Catherine stand auf und merkte plötzlich, dass ihr alle Knochen wehtaten. »Wo ist denn Ihr Mann?«
    »Als Timothy mit seinem Setzkasten zurück war, ist er wieder losgegangen, um den Weg zur Stadt zu suchen. Hier ...«, Mrs. Robertson wies auf ihre Umgebung,»... hier ist ja nichts. Es ist absolut trostlos. Ich hatte eine Stadt erwartet, und alles, was ich sehe, sind wenige armselige Hütten und ein Haufen nackter Wilder. Mein Mann wil hier eine Zeitung gründen. Wie mir scheint, wird er keine Leser finden, und wie sollen wir dann überleben?« Sie atmete tief durch, um sich zu fassen. »Darüber wil ich jetzt gar nicht nachdenken. Bitte, helfen Sie mir, die Kinder zu suchen.«

    Mit schleppenden Schritten, als wären ihr wie einem Sträfling Bleikugeln an die Fußgelenke geschmiedet, folgte ihr Catherine. Immer wieder drehte sie sich dem Meer zu, aber die Sonne flimmerte, Lichtpunkte tanzten vor ihren Augen, und sie konnte weder Johann noch Dan entdecken. Sie schickte ein stil es Stoßgebet gen Himmel und folgte der vorauseilenden Mrs. Robertson.
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    Sie fanden die Kinder bald. Todmüde, wie sie waren, hatten sie sich unter den Büschen in den Schatten verkrochen und schliefen fest und selig mit roten Wangen, wie nur kleine Kinder mitten im größten Chaos schlafen können. Mit einem Aufschrei warf sich ihre Mutter über sie, herzte und küsste sie und brach in erlösende Tränen aus, ganz offensichtlich am Ende ihrer Kräfte. Kurz daraufkehrte auch ihr Mann von seinem Ausflug zurück.
    Seine grimmige Miene verhieß nichts Gutes.
    »Es gibt keine Stadt«, sagte er. Nichts weiter.
    Ein Zittern durchlief Mrs. Robertson. Sie barg ihren Kopf an seiner Brust und schluchzte herzzerreißend, schrie plötzlich leise auf, hielt sich ihren Bauch und weinte dann umso lauter. Ihr Mann tröstete sie, so gut er es vermochte, aber die weißen Linien um seinen Mund verrieten seine Sorgen.
    Diese Mutlosigkeit, das Sich-gehen-Lassen, stachelte Catherine an.
    »Das kann nicht sein, mein Mann lebt hier. Er hat mir viel davon erzählt. Sie müssen sich verirrt haben. Nehmen Sie das nächste Mal einen Kompass mit.« Damit ließ sie die Robertsons stehen und nahm wieder ihren Platz auf dem Baumstamm ein. Ihre Hände auf die Knie gelegt, starrte sie ins glitzernde Licht, hoffte mit jeder Faser ihres Körpers auf den Augenblick, da Johann und Dan wieder auftauchen würden. An die Möglichkeit, dass sie nicht zu ihr zurückkehren würden, dass eine Welle sie gegen das Schiff schleudern könnte oder sie mit ihrer Kleidung unter Wasser hängen bleiben und ertrinken könnten, erlaubte sie sich nicht zu denken. Lange saß sie so, bewegte sich nicht, fixierte nur die schimmernde Ferne. Irgendwann spürte sie, dass sich ihr jemand näherte, aber sie kümmerte sich nicht darum.
    »Nkosikasi«, murmelte eine dunkle Stimme. »Sawubona.«
    »Was?« Sie schrak hoch. Erst auf den zweiten Blick erkannte sie Sicelo.
    Sein Wams hatte er verloren, und seine blutunterlaufenen Augen waren böse entzündet. Er musste schon länger an Land sein, denn seine Hosen zeigten angetrocknete Salzränder, und in den wolligen Haaren glitzerten Salzkristalle. »Sicelo, wo kommst du her?«, rief sie mit echter Freude.
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    Er antwortete mit einem langen Satz aus kehligen Lauten und Klicks.
    »Eh«, schloss er.
    Sie zuckte hilflos die Schultern. »Ich versteh dich nicht.« Das war das Erste, was sie lernen würde, dieses eigenartige Zulu, das Laute besaß, die sie nie vorher mit menschlicher Sprache in Verbindung gebracht hatte.
    Sein Blick strich über die Umgebung, hin und her, mit stürmischer Unruhe, bis er ihren wieder traf. »Johann?« Mit seinem Arm beschrieb er einen weiten Bogen, hob dann mit schweigender Leidenschaft die Hände zu einer Frage.
    Sie nickte heftig. »Johann lebt, er ist hinaus zum Schiff.« Auf seinen verständnislosen Blick hin machte sie übertriebene Schwimmbewegungen und zeigte hinaus, wo die zwei kleineren Masten der White Cloud über den Busch des Points ragten.
    Pantomimisch teilte er ihr sein Entsetzen mit, klickte und zischte,

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