Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
bei jedem hier ankommen, wann du wil st, und wirst immer Unterkunft und Verpflegung bekommen, so viel du brauchst und so lange du wil st. Jeder erwartet es, denn das nächste Mal könntest du selbst in Not sein. Diese Gastfreundschaft hält das Land zusammen. Ihr Haus liegt praktischerweise einen strammen Tagesritt von Durban entfernt und wird von allen Reisenden in dieser Gegend als Übernachtungsmöglichkeit in Anspruch genommen. Die Fullhams haben sogar ein richtiges Gästezimmer. Sehr komfortabel«, fügte er hinzu.
    Das Gästezimmer war eine fensterlose, niedrige Kammer unter dem Grasdach, in der sich die stickige Hitze des Tages fing, sich mit dem muffigen Geruch von feuchtem Gras und Schimmel vermischte. Stehen konnten sie nicht, sie mussten hineinkriechen. Der Fußboden wurde völlig von zwei klumpigen Matratzen ausgefüllt, die Catherine misstrauisch schüttelte, bevor sie sich hinlegte. Zwei Geckos sausten ins frei liegende Grasdach, eine Maus verschwand in einer breiten Bodenritze, blieb aber so sitzen, dass sie die Geschehnisse mit neugierigen Knopfaugen beobachten konnte, während mehrere glänzend braune Tausendfüßler in die Schatten raschelten und ein Schwärm Mücken lüstern über sie herfiel.
    »Hölle und Verdammnis«, zischte sie und bedachte ihren Mann mit einem Blick, der ihn nicht darüber im Zweifel ließ, dass er besser keine Bemerkung über ihre Ausdrucksweise machen sollte.
    So ignorierte er geflissentlich ihren Ausbruch, dachte, dass sich das schon geben würde, sobald sie Inqaba erreicht hatten, 290
    und fuhr fort, mit der Kerze in der Hand das Grasdach sorgfaltig abzuleuchten. »Nichts. Keine Schlangen. Hier oben lebt manchmal eine grüne Mamba, aber sie ist offensichtlich ausgewandert. Das musst du dir merken. Wo Schlangen leben, gibt es keine Ratten. Es hat also seine Vorteile, auch wenn es dir unangenehm sein sollte.« Mit einem Seufzer streckte er sich auf der Matratze aus. »Das tut gut, und die Matratzen stinken nicht nach Seegras, nicht wahr, mein Schatz?«
    Catherine antwortete nicht. Sie hatte keine Worte mehr. Ihr Kopf drohte zu platzen, ob vor Enttäuschung, Wut oder einfach nur von dem Gerüttel auf dem Pferderücken machte keinen Unterschied. Zum ersten Mal verstand sie, warum es Morde gab, die aus heiterem Himmel geschahen.
    Johann wühlte neben ihr herum und suchte sich eine bequeme Lage.
    »Anns Mockturtlesoup war lecker, nicht wahr?«, murmelte er schläfrig. »Sie kocht dafür immer einen ganzen Kalbskopf, das gibt diesen herrlichen sämigen Geschmack.« Seine Worte versickerten. Er drehte sich zu ihr, mit dem Gesicht ganz nah an ihren Hals, berauschte sich an ihrem Duft und schlief ein.
    Catherine blieb wach. Es ging ihr nicht gut. Das Stroh, das die Matratzen füllte, piekste durch das grobe Baumwollgewebe und reizte ihre ohnehin juckende Haut, ihr Gesäß brannte höllisch, von der versprochenen Taubheit war keine Spur, und es schmerzten mehr Muskeln in ihrem Körper, als sie je für möglich gehalten hatte zu besitzen. Zu al em Überfluss hatten die schnell von ihrem Schweiß glitschig gewordenen Zügel große Blasen auf ihren Handflächen wachsen lassen. Johann schnaufte leise im Tiefschlaf, die Geckos huschten übers Dachgebälk, die Mücken sirrten gemein, in der Ecke raschelte es. Sie warf sich herum, kratzte sich, warf sich andersherum. Nickte sie einmal ein, starrte sie ein abgehackter Kalbskopf mit geronnenen Augen anklagend an.
    Innerlich schäumend, äußerlich lächelnd, nahm sie am nächsten Morgen das Frühstück mit den Fullhams ein. Johann war gut ausgeruht kurz vor Sonnenaufgang aufgewacht und
    291
    hatte sie mit einer zärtlichen Umarmung geweckt. Wie eine wütende Natter war sie hochgeschossen, mit vor Schlafmangel und Erschöpfung geröteten Augen, und hatte ihn so angezischt, dass er verstört zurückzuckte.
    Beim Frühstück lehnte sie höflich dankend die aufgewärmte Mockturtlesuppe ab, war sich sicher, dass sie ein gesottenes Auge darin entdeckt hatte, aß aber reichlich von der ebenfalls vom Abend vorher aufgewärmten, gekochten Schweinekeule mit Maisbrei. Sie wischte ihren Teller mit Mrs. Fullhams krustigem Brot aus und machte sich dann mit wirklichem Genuss über die frische Ananas her, die ihre Gastgeberin kurz vorher geerntet hatte.
    Johann hatte ihrem Vorratshuhn den gackernden Kopf abgeschnitten und die Hausherrin gebeten, es ihnen zu rupfen. »Unterwegs kann das mühselig sein«, lächelte er, als er ihr das bluttropfende, kopflose

Weitere Kostenlose Bücher