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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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es fertig, mitfühlend dreinzuschauen. »Zähne zusammenbeißen und weiterreiten. Die Stellen werden bald unempfindlich.«
    »Was?«, schrie sie. »Das kann unmöglich dein Ernst sein!«
    »Was wil st du sonst machen, Schatz - laufen?«
    Catherine kochte. Unter zusammengezogenen Brauen musterte sie ihren brandneuen Ehemann, der locker und lässig auf seinem Pferd saß, enervierend kühl und frisch aussah. Das Weiß seiner Augen war zwar gerötet und sein Gesicht blass, aber das war nach den Anstrengungen und Missgeschicken der letzten Tage wirklich nichts Ungewöhnliches. »Gut, ich werde weiterreiten, aber nicht so.« Mit diesen Worten schwang sie ihr rechtes Bein über den Sattelknauf und passte ihre Beinhaltung der Johanns an. Die Knie fest angepresst, Hacken heruntergedrückt, drapierte sie den weiten, königsblauen Rock, so gut es ging, über ihre Beine und setzte sich tief aufatmend aufrecht. »So, das ist besser. Wir können nun weiterreiten.«
    Ihr Blick forderte ihn heraus, auch nur ein Wort über die Unschicklichkeit ihres Sitzes zu verlieren.
    Johann setzte an, etwas zu sagen, bemerkte diesen Zug um ihren Mund, mit dem er nun schon mehrfach konfrontiert worden war, seufzte unsicher und schwieg. Er sah seine Mutter vor sich, deren stets dunkelgraue Röcke schwer bis zu ihren Schuhen fielen, und seine Schwestern, die zurückgezogen lebten, denen das Gespräch mit jungen Männern nur gestattet war, sollten diese ernsthafte Absichten zeigen, die in einem festen Korsett von Konventionen und Regeln steckten, von dem sie sich nie würden befreien können. Zuletzt hatte er sie im Winter gesehen. Blass waren sie gewesen und hatten älter ausgesehen, als sie Jahre zählten, hatten nichts mit diesem stolzen, eigenwil igen Geschöpf gemein, das vor ihm auf dem Rappen
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    herumtänzelte, das ein Bild sprühenden Lebens war und das er so liebte, dass es schlimmer war als jeder Schmerz, den er je gefühlt hatte.

    »Hat's dir die Sprache verschlagen?«, lachte das verführerische Geschöpf jetzt, riss übermütig ihren Hut vom Kopf und entblößte die elegante Linie ihres herrlichen Nackens. »Lass uns weiterreiten.« Sie bohrte Caligula die Hacken in die Seiten. Der preschte ein paar erschrockene Bocksprünge vorwärts, dass Johann fast das Herz stockte, aber sie blieb im Sattel, lachte nur verwegen und schwenkte ihren Hut.
    Gegen Mittag rasteten sie im Schatten eines weit überhängenden Feigenbaums an den Ufern eines namenlosen Flüsschens. Johann schöpfte Wasser in einen dreibeinigen, eisernen Kochtopf, entzündete ein Feuer darunter und kochte die Langusten mit ein wenig Salz. Dann servierte er sie seiner Frau gekrönt von einem großen Klacks kostbarer Butter. Dolly Farrington hatte sie eigenhändig geschlagen und ihm im letzten Moment noch zugesteckt.
    Nachdem sie gegessen und ihre Wasserflaschen aufgefüllt hatten, ritten sie weiter und erreichten mit hereinbrechender Dunkelheit die Farm der Fullhams, eines englischen Ehepaares. Catherine konnte kaum stehen, als sie aus dem Sattel rutschte, die Muskeln an der Innenseite ihrer Schenkel waren bretthart, und sie konnte ihre zitternden Knie nicht davon abhalten, bei jedem Schritt auseinander zu streben. In groteskem Entengang watschelte sie auf die Frau zu, die ihr aus dem Haus entgegentrat. Es war ihr furchtbar peinlich, und es half auch nicht, beide Arme eng an die Oberschenkel zu pressen. Die überanstrengten Muskeln auf der Innenseite ihrer Schenkel führten ihr eigenes Leben.
    Mrs. Fullham verriet mit keiner Miene, ob sie den unschicklichen Reitsitz Catherines bemerkt hatte. »Ich bin Ann Fullham, seien Sie wil kommen, meine Liebe. Unser Abendessen ist fast fertig. Wir würden uns freuen, wenn Sie mit uns essen würden. Sicherlich werdet ihr auch über Nacht bleiben, Johann?«
    »Gern, Ann. Wir müssen morgen bei Sonnenaufgang weiter.«
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    Catherine schob sich dicht an ihren Mann heran. »Wil st du damit sagen, dass Mrs. Fullham nichts von unserer Ankunft gewusst hat? Ich dachte, du hast unsere Übernachtungsmöglichkeiten entlang unserer Reiseroute vorher arrangiert?«, zischte sie. Weiche Betten, gutes Essen, dienstbare Geister, das hatte sie sich vorgestellt. Die Frage, die ihr auf der Zunge lag, ob es hier denn keine Telegrafen gab wie schon seit Jahren in Europa, schluckte sie herunter. Die Antwort lag auf der Hand.
    Johann ahnte nichts von ihren Erwartungen, zu gut hatte sie sich verstellt. Er antwortete ihr leise. »Das ist nicht nötig. Du kannst

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