1 - Schatten im Wasser
Federvieh überreichte.
Fullhams Farm lag nur eine Meile vom Umgeni entfernt auf einer Anhöhe, und die Steinachs erreichten den Fluss noch vor acht Uhr morgens. Die Luft war kristallklar und von erfrischender Kühle, da es die Nacht vorher stark geregnet hatte. Johann ritt langsam den gewundenen Pfad entlang, beobachtete unablässig seine Umgebung. Die rote Erde war morastig, und die Pferde verschwanden bis zum Bauch im saftig grünen Gras. Das Ried raschelte im Wind, Palmen neigten sich graziös über die sanften Wellen, eine Flotte Pelikane landete nahe der Mün-
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dung des gemächlich zum Meer strömenden Flusses, die seit den letzten Unwettern über eine Meile breit war. Auf unzähligen kleinen Sandinseln standen wie kitschige rosa Schnitzereien Flamingos herum, und über ihnen kreiste auf majestätischen Schwingen ein Adler.
Catherine öffnete die obersten Knöpfe ihres Kleides. In dem Wollkleid war ihr trotz der angenehmen Temperatur jetzt schon heiß. Die Waschmöglichkeiten bei Mrs. Fullham waren eingeschränkt gewesen, und sie sehnte sich nach einem Bad. Außerdem schmerzten die durchgerittenen Stellen auf ihrem Gesäß trotz der Ringelblumensalbe, die ihr Ann Fullham gege-292
ben hatte. Sie blickte über den Fluss. Das Wasser schien sauber zu sein, die Strömung nicht stark. Es gab keine Wellen, und relativ flach war es auch.
Plötzlich wurde das Verlangen nach Abkühlung und Reinigung übermächtig. Sie glitt vom Pferd, warf Johann übermütig die Zügel zu und rannte, bevor dieser überhaupt reagieren konnte, die kurze Strecke zum Fluss. »Komm, lass uns schwimmen. Es wird nicht viel Zeit kosten. Bitte.«
Ihr schwarzes Haar glänzte in der Morgensonne, das Kleid schimmerte.
Schön wie ein königsblauer Schmetterling flatterte sie durch das Ufergrün.
Johann sah sie im Ried verschwinden, nur noch die schwankenden Halme zeigten ihm ihren Weg. Für Sekunden saß er wie eine Salzsäule auf seinem Pferd, dann erst reagierte er. »Komm zurück, Catherine, sofort. Um Himmels wil en, schnell!«, brüllte er. Seine Stimme wurde vom Rauschen des Umgeni und dem Donnern der nur eine viertel Meile entfernten Brandung verschluckt.
Catherine spähte zu ihm hinüber. Durch die wogenden Grasspitzen konnte sie ihn kaum erkennen, verstand nur Bruchstücke und deutete seine Worte falsch. Sie kicherte. »Es ist doch ganz flach hier, du wirst schon nicht ertrinken«, rief sie, öffnete die Knöpfe ihres Kleides und streifte ihre Stiefelchen ab, ließ alles einfach auf den Boden fallen. »Komm, sei kein Frosch. Lass uns wenigstens einmal untertauchen, ich fühle mich so verschwitzt.« Im flatternden Unterkleid rannte sie über das sandige Ufer ins Wasser. Es war weich und erquickend kühl und reichte ihr hier gerade bis zu den Knien. Sie schöpfte eine Hand voll Wasser und spritzte sie sich ins Gesicht und über Hals und Brust. »Ah«, schnurrte sie. »Herrlich.«
Der Fluss gurgelte, hier und da platschte es leise, wenn ein Fisch sprang oder ein Eisvogel tauchte. Ganz in ihrer Nähe klatschte etwas ins Wasser.
Sie sah hinüber. Das Gras schwankte und flirrte, aber sonst entdeckte sie nichts. Es war wohl ein großer Vogel, der dort fischte, vielleicht ein Adler oder einer der Kormorane, die etwas entfernt auf einem abgestorbenen Baum
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saßen und ihre blauschwarzen Schwingen in der Sonne trockneten. Der Fluss musste sehr fischreich sein.
Sie tat ein paar Schritte tiefer in den Fluss, hörte ein Fauchen und blieb wie angenagelt stehen, ihr Blick flog misstrauisch über Wasser und Uferzone. Lange gelbe Sandschleier drifteten in der Strömung, als hätte etwas den Schlamm aufgewühlt, und für eine Sekunde meinte sie, einen Schatten im Wasser gesehen zu haben. Aber jetzt lag alles wieder friedlich im goldenen Sonnenschein. Beruhigt bückte sie sich, spritzte sich das erfrischende Nass über die nackten Arme und rieb sich mit einer Hand voll des feinen Flusssands sanft ihre Haut ab, bis sie glühte. Voller Genuss spülte sie sich ab, fühlte sich endlich frisch und sauber. Mit geschlossenen Augen breitete sie ihre Arme aus und ließ sich wie die Kormorane von Sonne und Wind trocknen.
Auch Johann hatte das harte Klatschen und das Fauchen gehört, die Sandschleier gesehen und gleich darauf den Schatten. Ihm war sofort klar, was das bedeutete. Es sprengte ihn förmlich aus seiner Versteinerung. Mit einem Satz sprang er vom Pferd, schlang mit fliegenden Händen die Zügel beider Pferde um die nächste Palme, riss sein
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