1 - Schatten im Wasser
verschlang ihn mit einem bösen Grinsen. Dann stemmte es sich langsam auf seine kurzen Beine, fixierte ihn dabei mit diesem grausigen, ausdruckslosen Starren, und Johann wusste, dass es Zeit war, so schnell wie möglich das Weite zu suchen. Er drehte sich um und rannte.
Eine viertel Meile oberhalb der Stelle, wo die Begegnung mit den Krokodilen stattgefunden hatte, mussten sie den Umgeni durchqueren.
Johann führte die Pferde zu Fuß, bestand jedoch darauf, dass Catherine im Sattel blieb. Kurz vor dem anderen Ufer stolperte Caligula und warf sie ins kniehohe Wasser. So kam sie doch noch zu ihrem Vollbad.
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Sie wrang ihr Unterhemd aus und löste ihre Haare, damit sie schneller trocknen konnten. »Woher soll ich ahnen, dass der Umgeni von Krokodilen verseucht ist? Er lag so friedlich da, so hell, gar nicht düster und drohend wie der Kongo.« Catherine zitterte nicht mehr. Ein glückliches Naturell und robuste Gesundheit hatten den Schock, sobald die Gefahr vorüber war, sehr schnell ausgeglichen.
Johann reichte ihr die Wasserflasche. »Sie brüten hier und sind zu einer fürchterlichen Plage geworden«, antwortete er auf ihre Frage. »Die umliegenden Farmer schießen ab und zu welche, aber sie vollkommen auszumerzen wäre zu teuer. Entweder müsste man Gift benutzen oder Kugeln verschwenden, beides kostet Geld und sollte nach Meinung der meisten von der Regierung am Kap geregelt werden. Wir zahlen hier schließlich auch unsere Abgaben.«
»Ist schon je jemand gefressen worden?«, fragte sie, während sie das frisch gewendete, hellblaue Baumwollkleid aus ihrer Tasche zog und hineinstieg. Sie sah ihn an. »Ich meine, die Einheimischen sind doch sicher nicht so unbedarft wie ich, hier baden zu wollen?«
Er dachte an den Tag, als man den Manzimakulu zum ersten und einzigen Mal in Sicherheit überschreiten konnte. Tagsüber hatte am Fluss zwischen zwei verfeindeten Stämmen eine Schlacht gewütet, und als die Sonne hinter die Hügel sank, schwammen die Toten Rücken an Rücken im Wasser. Die Krokodile lagen bis zur Bewegungslosigkeit voll gefressen an den Ufern und schliefen mit weit aufgerissenen Rachen, während ihnen die Madenhacker die Fleischfetzen aus den Zähnen pickten. Sie hatten nicht einmal geblinzelt, als er mit Sicelo und vier Pferden vor ihrer Nase die Furt durchquerte.
Er räusperte sich. »Nun, gelegentlich erwischen sie schon einmal einen Unvorsichtigen, meist badende Kinder oder Frauen, die Wasser vom Fluss holen. Eigentlich aber fressen sie nur Tiere, wenn sie zum Fluss zum Trinken kommen. Sie packen sie am Kopf und ziehen sie in ihre Unterwasserspeisekammer.«
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Sie erlaubte sich nicht, sich näher mit dieser Aussage zu befassen.
»Gibt es auch Krokodile im Hluhluwe?« Das war der Fluss, der in der Nähe von Inqaba floss, und sie war stolz, das Zuluwort bereits perfekt aussprechen zu können.
»Massenweise«, antwortete er trocken. Es hatte keinen Sinn, ihr etwas vorzumachen. Sie musste die Gefahren ihrer Umwelt kennen. In Afrika ist Ignoranz schnell tödlich, und meist gibt es weder eine Gnadenfrist noch ein zweites Mal.
»Oh«, sagte sie nur, bückte sich und zog die letzten Schuhe an, die sie besaß, ein Paar leichte Slipper, die sie sich zum Spazieren in Wiens Prater gekauft hatte. »Sie werden nicht lange halten«, meinte sie und wendete ihre schlanken Füße hin und her. »Du wirst eins von den Kroks schießen und mir ein paar Schuhe aus seiner Haut machen müssen. In Paris soll das der letzte Schrei sein«, scherzte sie, aber ihr Lachen klang etwas metallen.
»Krokodilhaut ist zu hart, aber wir können Dan, den Schlangenfänger, bitten, eine Python für dich zu finden. Ihre Haut eignet sich sehr gut, um Schuhe daraus zu fertigen. Er wird dir das sicherlich gerne zeigen. Sonst schieße ich dir einen Springbock, und wir nähen dir ein Paar Veldskoens daraus. Damit läuft hier eigentlich jeder herum. Sind sehr praktisch bei der Arbeit.« Fröhlich streckte er seine Füße aus. »Siehst du?«
Nach einem Blick auf die rostfarbenen, kreuzweise mit Lederschnur verschnürten Springbockfeilstiefel, die wellige Falten ums Bein schlugen, und einem weiteren Blick in sein Gesicht, der ihr sagte, dass er das todernst meinte, ritt sie mehrere Meilen in vollkommenem Schweigen.
*
Von den felsigen, buschbedeckten Hügeln jenseits der Mphu- mulo-Mission blickten sie hinunter ins schimmernde Tal des gemächlich dahinfließenden Tugelastroms, der die Grenze zwischen Natal und Zululand bildet.
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