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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Johanns Drohung. »Ich hatte Hunger. Ich kann nicht arbeiten, wenn ich hungrig bin.«
    »Ich werde dir heute eine extra große Portion Mais für deinen Phutu geben, damit dein Bauch voll und zufrieden ist und dich nicht beim Arbeiten stört.«
    So geschah es, und Catherine stellte die Präparate ihres Vaters ganz unten in die Wohnzimmerkommode. Jikijiki trollte sich in die Küche und putzte Bohnen fürs Abendessen. Den Mais für ihren Phutu jedoch beschnüffelte sie mit äußerstem Misstrauen, leckte daran und servierte ihn dann Mzilikazi, wie es sich gehörte, kniend. Unter den Wimpern beobachtete sie ihn gespannt. Erst als er seine Portion aufgegessen hatte und keinerlei Anzeichen einer plötzlich Erkrankung zeigte, verzehrte sie mit zufriedenem Lächeln die ihre.
    Catherine packte indes weiter aus. Die Bettwäsche war stockfleckig und das Leder der Truhe ziemlich verschimmelt, aber Johann hatte ihr bereits eine Kiste gezimmert, in die sie jetzt Skizzenblock, Malfarben und die meisten Bücher stapelte. »Das Chinarindenpulver ist leider verdorben«, rief sie ihrem Mann zu, der schweißglänzend ins Haus kam. »Es hat sich in der Nässe aufgelöst. Ich werde es in die Sonne legen. Vielleicht trocknet es.«
    Ihre Lieblingsbücher begrüßte sie eins nach dem anderen wie alte Freunde und stellte sie neben Wilmas Haushaltsbuch und ihr Tagebuch ins Regal. Vergnügt blätterte sie in dem, das die Entdeckung Afrikas durch die Portugiesen beschrieb. Eben wollte sie es ins Wohnzimmer bringen, als ihr ein Name auffiel. Alvaro de Vila Flor. De Vila Flor? Das Monogramm in ihrem
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    Ring? Aufgeregt zog sie ihren Ring ab und drehte ihn ins Licht, und da stand es tatsächlich. L. de Vila Flor. »Johann, sieh, was ich entdeckt habe«, rief sie und rannte nach draußen. Ein plötzlicher Windstoß tanzte über den Hof, raschelte durch ihr Buch, wirbelte Staub und trockene Blätter auf und fegte durchs Haus, dass die Türen klapperten.
    Johann schaute in den Himmel. Milchige Schleier zogen auf, die an den Rändern einen Hauch von Schwefelgelb zeigten. »Hab jetzt keine Zeit. Wir bekommen Sturm. Und Regen«, setzte er hinzu, als die ersten Wolken über die Hügel quollen. »Gott sei Dank.«
    In größter Hast entluden sie den Ochsenwagen, schafften alles, so schnell sie vermochten, ins Haus oder in den Geräteschuppen, der sich neben dem Unterstand der Pferde befand, während Nofretete mit dem unfehlbaren Instinkt aller Katzen ins Haus sauste und sich unter dem Bett in Sicherheit brachte. Als Sicelo eben den letzten Sack mit Mehl schulterte, hörte Catherine es. Mit mächtigem Rauschen kam der Regen übers Land, und die Sandspritzer zu ihren Füßen wurden zu Springbrunnen und vereinigten sich zu Seen. Der erste Blitz fuhr herunter. Sie rannte ins Schlafzimmer und warf das Buch achtlos in die Bücherkiste. Die dünnen Musselinvorhänge vor den Fensterlöchern flatterten wie Fahnen im Sturm.
    Johann nagelte in Windeseile die Läden davor, und die Räume wurden in permanentes Dämmerlicht getaucht. »Ich muss noch Scharniere anbringen«, murmelte er entschuldigend. »Bin noch nicht dazu gekommen.
    Cato hatte noch keine im Angebot.«
    Donner rollte über das Land, Blitze machten die Nacht zum Tag, und es regnete und regnete. Unvorstellbare Wassermassen fielen vom Himmel.
    Schmale Wege wurden zu Bächen, breitere zu Flüssen. Im Wohnzimmer und in der Küche leckte es durch, das Dach des Kochhauses sank ein, und ein Teil des Abhangs unterhalb des Hauses wanderte hinunter zum Wasserloch. Johann und Sicelo arbeiteten wie die Berserker, trieben mit den Hirten die Rinder auf höher gelegenes Gebiet, dämmten das Wasser an
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    einer Stelle ein, nur damit es an anderer umso wütender durchbrach. Meist übernachtete er draußen bei seiner Herde, wenn er aber nach Hause kam, fiel er todmüde ins Bett und brach am nächsten Morgen noch in der Dunkelheit wieder auf.
    Am dritten Tag des großen Regens gab es keinen trockenen Fleck mehr im Haus. Al es wurde feucht, schimmelte oder löste sich auf. Mehl klumpte, Maden erschienen wie aus dem Nichts, auf dem Biltong wuchs grüner Rasen, ihre Kopfkissen stanken, und Catherine begriff, dass ihr Leben in Afrika nie aufhören würde, ein Kampf zu sein.
    Jikijiki verschwand am vierten Tag, Mzilikazi einen Tag später, und Catherine war allein. Zähneknirschend wischte sie die Wasserpfützen im Wohnzimmer selbst weg, erschlug zwei Ratten und eine Schlange, die sich vor dem Unwetter ins Haus gerettet

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