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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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hatten, und wünschte sich mit jeder Faser ihres Herzens weg von hier. Weit, weit weg. Jeder ihrer Versuche, ein Feuer anzufachen, um eine warme Mahlzeit zu kochen, ertrank. Stoisch schnitt sie die Schimmelkruste vom Brot, und Johann und sie ernährten sich von den Resten in der Vorratskammer. Das letzte Petroleum aus ihrer Lampe kippte sie in ein Schüsselchen, legte einen Baumwolldocht hinein und brachte es fertig, mit Stahl und Feuerstein einen Funken zu schlagen und ihn so zu entzünden. Auf der dünnen Flamme erhitzte sie eine Kanne Wasser, sodass sie wenigstens einmal zum Frühstück heißen Kaffee trinken konnten.
    Aber es war nicht nur alles klitschnass, es war auch vergleichsweise kalt geworden, und sie fror. Eingehüllt in das Prasseln des Regens, das jeden anderen Laut tötete, kalt bis in die Knochen, fröstelnd wie im Fieber, saß sie am Tisch, das Tagebuch geöffnet vor sich, und dachte sehnsuchtsvoll an Wien, Damastservietten, Silberbesteck, trockene Betten, adrette Hausmädchen und an Konstantin, kurzum, daran, was hätte sein können. Die langen, leeren Stunden, in denen sie keine Menschenseele sah, kein Wort aus einer menschlichen Kehle hörte, setzten ihr zu. Al es konnte sie ertragen, Schlangen und Ratten im Haus, Leoparden im Garten, die harte und ungewohnte Ar-404
    beit, auch Mopaniraupen aß sie, ohne mit der Wimper zu zucken, nur diese knisternde Einsamkeit, die drohte, sie von innen aufzufressen, die schmerzte aufs Unerträglichste.
    Auf ihren Schiffsreisen war sie oft allein gewesen, aber einsam nie.
    Immer waren Menschen um sie gewesen, und wenn sie jetzt die Gesellschaft von Wilma hätte oder wüsste, dass Papa jede Minute aus dem Dschungel an Bord käme, ja wenn es nur die wortfaulen, derben Matrosen wären, deren Stimmen sie hörte, wie glücklich würde sie sich schätzen. Es schien ihr, als existiere ihre Welt als separater kleiner Kosmos in der schwarzen Leere des Weltalls.

    *
Doch in Afrika können jeden Tag Wunder geschehen, einfach so, wenn man sie am wenigsten erwartet. Am Morgen des achten Tages wachte sie auf und vermisste etwas. Es dauerte eine Weile, ehe ihr auffiel, dass es stil war. Ganz stil . Der Regen hatte aufgehört.
    Langsam stand sie auf und schlug den Vorhang zurück. Ein unschuldig blauer Himmel grüßte sie, die heißen Strahlen der frühen Sonne und ein Land, das so grün und üppig vor ihr lag, dass sie lange zweifelte, ob die letzte Woche Wirklichkeit gewesen war.
    Mittags erschien Jikijiki, ergriff ohne ein Wort den Besen und fegte die Veranda, sang dabei und schwang die Hüften im Takt. Kurz darauf erklang Mzilikazis tiefe Stimme, als er seiner Angebeteten singend antwortete, während er das zerstörte Dach des Kochhauses beiseite räumte, und bald prasselte ein munteres Feuerchen in der dachlosen Feuerstelle. Die Zulumelodie nachsummend, brühte sich Catherine eine Kanne Kaffee auf, war überzeugt, dass sie noch nie einen köstlicheren gekostet hatte, und tanzte durch ihren Tag, als hätte sie Schaumwein getrunken. Als Johann mittags auf den Hof ritt, rannte sie ihm entgegen, rufend, lachend und so voller Leben, dass ihm vor Dankbarkeit die Tränen in die Augen schössen.
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    »Ich habe einen Buschbock geschossen«, sagte er. »Lass uns heute die letzte Flasche von Justus' Wein aufmachen und feiern.« Er trug den Bock in die Küche, häutete ihn mit wenigen geschickten Messerschnitten, entfernte die Innereien und zerlegte ihn. »Die Leber braten wir mit Zwiebeln und essen sie als Vorspeise. Leg sie bis heute Abend in ein wenig Milch ein, damit sie zart wird. Sicelos Kuh hat gekalbt, und er hat mir ein Tongeföß voll Milch mitgegeben.« Mzilikazi und Jikijiki gab er Anweisungen, ein neues Dach über der Feuerstelle zu errichten und die Schäden im Obstgarten zu beseitigen.
    »Eine Kuh ist in eine Schlucht gestürzt. Wir werden den Nachmittag brauchen, um sie zu befreien, aber ich werde bei Einbruch der Dunkelheit zurück sein«, versprach er und trabte vom Hof.
    Catherine versuchte sich, getreu der Anleitungen im Rezeptteil von Wilmas Haushaltsbuch, an einer geschmorten Hammelkeule, die einem Buschbockbraten ihrer Meinung nach am nächsten kam. Lange grübelte sie über die Anweisung, das Fleisch auf ein Kreuz von Eichenhölzern zu legen, fragte sich, woher sie englisches Gewürz, Pflaumenmus und geriebenen Honigkuchen nehmen sollte, der offenbar unabdingbar für den Geschmack war, und was Breyhan war. Zum Schluss tat sie eine gute Portion Hammelfett,

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