1 - Schatten im Wasser
zu können.
Catherine sprang auf, als sie ihre Besucherin erkannte. »Mila, wie schön. Wil kommen.« Die beiden Frauen fielen sich in die Arme. »Mach es dir bequem. Möchtest du einen Kaffee? Er steht noch vom Frühstück auf dem Feuer. Milch gibt es nicht. Ein Zulu kam gestern und wollte mir einen Topf voll verkaufen, aber sie war sauer. Möchtest du etwas essen?« Am Weihnachtsabend hatten sie sich auf das vertraute Du geeinigt.
»Einen Kaffee, danke. Im Übrigen ist die saure Milch eine Spezialität der Zulus. Sie nennen es Amasi«, sagte Mila. Mit allen zehn Fingern lockerte sie ihre kurzen, leuchtend weißen Haare auf. »Äußerst praktisch, diese Frisur«, bemerkte sie. »Die Läuse lassen sich auch besser in Schach halten. Jeder von uns hat sie schon
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gehabt. So ist das in Afrika«, lachte sie, als sie Catherines entsetzten Ausdruck bemerkte. »Aber Läuse sind nicht so schlimm. Warte nur, bis die Flöhe über dich herfallen.«
Verstohlen kratzte sich ihre Gastgeberin in den Haaren. Ihre Kopfhaut hatte urplötzlich angefangen, aufs Unangenehmste zu kribbeln. »Leider habe ich kein Brot mehr«, sagte sie, »und auch keine Butter, aber ich kann dir Suppe von gestern anbieten und ein hart gekochtes Ei.«
Milas Blick schweifte durch die Küche. Auf dem Waschtisch weichte eine rußgeschwärzte, verkrustete Backform, die Hand ihrer Gastgeberin wies eine kleine, frische Brandblase auf, auf einer Seite waren ihre Haarspitzen angesengt. »Wie ich sehe, hast du den Kampf um frisch gebackenes Brot vorerst verloren?« Sie verbiss sich ein Lächeln.
Catherine verzog das Gesicht und rieb Spucke auf ihre Brandwunde.
»Wir hatten zu Hause ja immer eine Köchin, und meine einzige Anleitung ist ein fünfzig Jahre altes Kochbuch, in dem am Schluss des Brotrezepts steht, man solle nun den Laib dem Bäcker zum Backen bringen.«
Mila schmunzelte. »Der nächste Bäcker wäre ein neuer Immigrant etwa drei Tage von hier entfernt. Aber seit der Antike hat sich beim Brotbacken nichts geändert. Hast du den Teig gesäuert?«
Der Blick, den ihr Catherine zuwarf, ähnelte dem eines getretenen Hundes. »Das Rezept ist für Roggen, ich habe aber nur Burenmehl und noch ein wenig gutes Weizenmehl vom Kap ...«, sagte sie und hob hilflos die Hände.
»Hast du Hefe? Nein, nun gut. Dann brauchen wir wenigstens Bier und Natron.« Mila stand auf und ging in die Vorratskammer, in der sie sich offensichtlich besser auskannte als die Hausherrin. »Natron habe ich selbst hier gelassen. Während seines letzten Fieberanfalls habe ich Johann häufiger etwas gekocht.« Ihre Stimme klang dumpf aus der engen Kammer.
»Ah, da haben wir's. Natron und Bier. Es ist der letzte Krug voll. Du musst neues brauen.« Sie streckte den Kopf aus der Küchentür und trug Mzilikazi auf, ein Feuer zu machen und eine Hand voll kleinerer 410
Feldsteine zu sammeln. Flugs mischte sie Mehl mit Salz, etwas Zucker und einem Löffel Natron und walkte es mit Bier zu einem festen Teig. »Er muss immer tüchtig geknetet werden. Du musst es deinem Mädchen beibringen, deswegen ist es wichtig, dass du es besser kannst als sie.«
Catherine seufzte, beobachtete Mila aber aufs Genaueste.
»Fertig«, verkündete diese und deckte den Teig mit einem Tuch ab.
»Der Teig muss zweimal für eine Stunde gehen.« Energisch kratzte sie sich die zähe Masse von den Fingern. »Wir trinken jetzt eine Tasse Kaffee, und ich erkläre dir, was alles in deiner Küche fehlt. Johanns Junggesellenausrüstung ist wirklich spärlich. Als Erstes sollte er die Feuerstelle so hoch legen, dass du dich nicht zu bücken brauchst. Du hast keinen Mörser und nur eine Bratpfanne, außerdem vermisse ich einen Block zum Fleischhauen und das Fleischbrett. Eine Rute zum Schaumschlagen wäre auch gut, und du brauchst dringend Feuerzange, Schaufel und einen Balg, um das Feuer anzufachen«, zählte Mila auf. »Das bekommst du alles bei Cato's. Pieter wird nächste Woche nach Durban reiten, um unseren Honig zu verkaufen und auch Vorräte für uns zu besorgen. Er könnte dir die Sachen mitbringen.«
»Warte, ich werde mir das aufschreiben.« Catherine holte ihren Federkiel und riss ein Blatt aus ihrem Tagebuch. »Das wäre außerordentlich nett von ihm.« Sie setzte noch vier El en Calico, geblümt, möglichst in Gelb, und Nähzeug dazu. Obwohl ihre einzige Näharbeit bisher in dem Annähen von Knöpfen bestand, hatte sie sich vorgenommen, Vorhänge anzufertigen.
»Du könntest natürlich auch selbst
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