1 - Schatten im Wasser
Zeug stinkt«, protestierte Onetoe-Jack schwach, gehorchte aber und kaute die Blätter mit allen Anzeichen von Ekel. Al mählich jedoch entspannten sich seine schmerzverzerrten Züge. Er verfiel in einen halb bewusstlosen Zustand.
Sicelo zermalmte Wurzel, Stängel und die restlichen Blätter der Pflanze, umhüllte den gebissenen Finger mit dem Brei und strich ihn hinauf bis zum El bogengelenk. »Nun warten wir«, sagte er. »Der Kahle wird schlafen, und wenn er aufwacht, wird das Gift seinen Körper verlassen haben.«
»Wir sollten uns um diese Halunken, die Elfenbeindiebe, kümmern, ehe sie Lunte riechen und verschwinden. Das Licht ist so schwach, dass sie uns kaum entdecken werden«, sagte Rupert, der sich mit Tim Robertson im Hintergrund gehalten hatte.
Johann hängte seinen Hut über den Sattelknauf und fuhr mit allen zehn Fingern durch sein dunkles Haar. »Du hast Recht. Ich komme mit. Dan, bleibst du hier? Du hast am meisten Erfahrung mit Schlangenbissen. Wir müssen auch die Pferde hier lassen, sie würden uns verraten.«
Dan nickte. Ihm war es nur lieb, denn seit einigen Tagen saß ihm diese verfluchte Malaria wieder in den Knochen. Er hatte gehofft, dass er endlich dagegen immun wäre, aber es hatte ihn wieder erwischt, wie immer in der heißen, feuchten Zeit.
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»Wir werden deine Augen und Ohren sein, ohne uns seid ihr Weißen doch blind und taub im Busch«, sagte Sicelo und lachte laut. »Shesha«, sagte er und scheuchte die anderen Schwarzen vorwärts.
»Seid vorsichtig«, mahnte Catherine.
Schweigend marschierten die Männer hintereinander in die Dunkelheit.
Sicelo und zwei von Onetoe-Jacks schwarzen Begleitern gingen voran, gefolgt von den Weißen, die Nachhut bildeten zwei Schwarze. Vorsichtig, alle Sinne geschärft, setzten sie ihre Schritte, verharrten, als sie ein tiefes Schnauben vernahmen.
»Nashorn«, flüsterte Johann und musste trotz der Gefahr lächeln, als er merkte, wie aufgeregt Tim Robertson neben ihm war. Warnend legte er die Finger auf die Lippen und hoffte, dass der Wind sich nicht drehen und dem urweltlichen Koloss ihren Geruch zutragen würde. Vorsorglich vergewisserte er sich, dass geeignete Bäume in der Nähe waren, die sie bei Gefahr blitzschnell hinaufklettern konnten. Wachsam schlichen sie weiter.
»Isisi, Rauch. Da vorne«, flüsterte Sicelo.
Es waren vier Männer, alles Weiße, die um das Feuer saßen und aßen.
Von ihren schwarzen Begleitern war nichts zu sehen. Drei der Männer waren übel aussehende Gesellen, zerlumpt und abgerissen. Verfilzte Haare hingen ihnen bis über die Schultern, und die zerlöcherten, dreckstarrenden Decken, die sie übergeworfen hatten, konnten nicht verbergen, dass nur einer Unterwäsche trug. Die zwei anderen hatten sich Tierhäute um die Hüften gewickelt, die ihre Blöße aber nur unzulänglich verdeckten.
Einer hatte eine Brandyflasche am Hals gepackt, setzte sie an und ließ mit verzückt rollenden Augen die Flüssigkeit seine Kehle hinunterlaufen.
»Ahh«, grunzte er und wischte sich über seinen zottigen, schwarzen Vollbart. »Das tut gut.« Wie ein Raubtier riss er mit den Zähnen ein großes Stück von der Fleischkeule in seiner Hand ab und kaute es, während ihm der Saft in den Bart lief.
»Reizende Kerlchen«, murmelte Rupert. »Die sind schon lange im Busch, mindestens ein halbes Jahr.«
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»Woran siehst du das?«, flüsterte Tim, der tatsächlich Notizbuch und Stift in der Hand hielt.
Rupert deutete auf die fingerlangen Dornen eines überhängenden Zweiges. »Ihre Klamotten sind zerfallen, und nur einer trägt noch die Überreste von Stiefeln. Wenn man Monate durch den Busch streift, hängen einem bald nur noch die Fetzen herunter. Die beiden dort haben nicht einmal mehr Unterwäsche. Der Große da drüben allerdings ist ein anderes Kaliber.«
Der Mann saß etwas abseits von den anderen, zerteilte sein Fleisch mit einem Jagdmesser und aß es dann so manierlich mit der Gabel seines Reisebestecks, als säße er an einer vornehm gedeckten Tafel. Er war kräftig gebaut, seine Kleidung nur wenig abgetragen und von gewisser Eleganz. Der Feuerschein spielte auf den dichten, schwarzen Haaren, die ihm über den Kragen seines hellen Hemdes hingen. Jetzt hob er den Kopf und schaute in ihre Richtung. Seine dunklen Augen schienen sich in ihre zu bohren, und Rupert wich unwil kürlich zurück. Doch der Mann wandte sich alsbald wieder ab, tupfte seinen akkurat geschnittenen Vollbart mit einem schneeweißen Taschentuch sauber
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