1 - Schatten im Wasser
und wischte dann seine Hände daran ab. Sie waren kräftig, und Johann fiel auf, dass er einen breiten Siegelring trug. Protzig fand er ihn.
»Seid mal stil «, befahl er und lauschte konzentriert.
»Wie machen wir's?«, schmatzte einer der Zerlumpten, der nichts ahnend nur wenige Schritte von den Lauschern entfernt saß. Er kratzte sich im Schritt.
»Wie immer«, antwortete der mit dem Ring. Sein Englisch war von einem deutlichen Akzent gefärbt, den Johann jedoch nicht einordnen konnte. »Ich werde Khayi von den Zungus zuflüstern, dass Mbusa und seine Biyelas einen Überfall auf seine Kornvorräte planen, und dann warten wir, bis er über die Biyelas herfällt und sie sich gegenseitig die Köpfe einschlagen. Wir laden in Ruhe ihr Elfenbein auf die Pferde und empfehlen uns. Vergesst nicht, eure Gesichter schwarz zu färben, Hände, Hals und Füße natürlich auch. Obwohl«, er ließ einen verächtlichen Blick über seine Kumpane wandern, »obwohl eure Füße kaum einer Färbung bedürfen.
Schwärzer geht's nicht.«
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Rupert berührte Johann am Arm. »Was machen wir nun? Brennen wir ihnen eins auf den Pelz?«
Johann legte seine Finger auf die Lippen und gestikulierte dass sie sich zurückziehen sollten. Erst als sie außer Hörweite waren, antwortete er.
»Wir sollten sie gefangen nehmen und dem Konstabel in Durban Bescheid geben. Das ist eine sehr ernste Angelegenheit. Das Elfenbein ist neben den Rindern der größte Schatz der Zulus. Wenn es wegen dieses Diebesgesindels Krieg gibt, wird die gesamte Kolonie ins Unglück gestürzt, und wir auf Inqaba müssen als Erste daran glauben.«
Sicelo fiel ihm ins Wort. »Es ist unsere Sache, wir werden uns um die Männer kümmern.« Er verschränkte die Arme über seiner nackten Brust und starrte seinen Freund an. Die Muskeln seiner Kinnbacken mahlten, seine Augen glühten, aber seine Miene verriet nichts. »Es hat nichts mit euch Weißen zu tun«, flüsterte er heiser. »Es ist unser Land, unser Elfenbein, ihr habt kein Recht, euch einzumischen.«
Ein Schauer lief Johann den Rücken hinunter, als die Wut seines Freundes ihn körperlich fast versengte, aber er wusste, er hatte keine Wahl, als zuzustimmen. Zögernd nickte er. »Wir ziehen uns zum Lager zurück und warten auf euch.«
»Wenn Impandla, der Kahle, aufwacht, gib ihm die Blätter zu kauen, die ich zubereitet habe. Er darf sich nicht bewegen«, flüsterte Sicelo, ehe er mit dem Schatten des Büschs verschmolz. Auch die übrigen Schwarzen schienen sich einfach aufzulösen. Eben standen sie noch neben ihnen, nun waren die drei Weißen allein.
Johann winkte Rupert und Tim. Im fahlen Mondlicht wies ihnen ihre eigene Spur von heruntergetretenem Gras und abgebrochenen Zweigen den Weg zurück ins Lager. Als sie es erreichten, fanden sie den Zustand von Onetoe-Jack erheblich verschlechtert. Die Hand war wie ein Ballon bis zum Gelenk angeschwollen, die Schwellung begann schon zum El bogen zu kriechen. Der Finger unter dem grünen Blätterbrei war schwarzblau verfärbt, und an der Bissstelle hatte sich eine blutgefüllte, walnussgroße Blase gebildet. Ein Augenlid war geschlossen, das andere stand offen, die 460
Pupil e war groß und starr. Er sah furchtbar aus, zuckte, als Johann die Hand prüfend auf seine Stirn legte, schien aber nicht bei Sinnen zu sein, denn er reagierte nicht weiter.
»Werden wir ihn verlieren?«, fragte Catherine mit dünner Stimme.
Ihr Mann schüttelte den Kopf, obwohl er sich überhaupt nicht sicher war.
»Hat er sich übergeben?«
Sie nickte. »Mehrfach, aber Dan hat ihn gezwungen, noch mehr Blätter zu kauen, danach hörte das Brechen auf, und er versank in einer Art Dämmerschlaf.«
Catherine rührte sich nicht von der Seite des Kranken, wollte nicht einmal etwas essen, doch Johann bestand darauf und brachte ihr ein großes Stück Warzenschweinkeule und dazu den Bohneneintopf, den Dan in der Zwischenzeit gekocht hatte. Nur wenige Steinwürfe vom Lager entfernt hatte er ein Warzenschwein mit dem Messer erlegt, um die Elfenbeindiebe nicht mit dem Knall eines Schusses auf sich aufmerksam zu machen. Jetzt briet das Schwein an einem improvisierten Spieß, der auf zwei Astgabeln ruhte, über dem Feuer.
Ein tiefes Grollen schreckte Catherine auf. Mit angehaltenem Atem lauschte sie in die tintenschwarze Nacht. Ein Tier jaulte. Dann das Geräusch eines Kampfes und ein kurzes, hohes Blöken, das abrupt abgeschnitten wurde, schließlich nichts weiter als das trockene Krachen von
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