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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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begutachteten mit verhaltener Neugier ihren Tisch, die Stühle, fragten nach dem Wohlergehen Nkosi Jontanis, und endlich kamen sie zur Sache. Eine von ihnen trat vor, eine gewichtige, ältere Frau, die große Autorität ausstrahlte.
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    »Nkosikasi«, begann sie. »Es gibt ein großes Problem, und wir bitten Nkosi Jontani um Hilfe.«
    Es stellte sich heraus, dass seit einiger Zeit ein riesiges Krokodil im flachen Wasser der Flussbiegung residierte. »Es hat eine von uns geholt, und nun haben wir zu große Angst, um Wasser zu schöpfen. Die Tapfersten unserer Männer haben versucht, es zu töten, aber es ist zu schlau. Jontani muss es schießen«, erklärte die Zulu, hob ihren Arm und machte ein explodierendes Geräusch.
    »Yebo, er muss es schießen«, stimmten ihre Begleiterinnen heftig zu.
    Die Angst stand ihnen deutlich ins Gesicht geschrieben.
    Catherine trat an den Hang. Jeden Morgen in der Früh füllten die Frauen am Wasserloch ihre schweren Tonkrüge. Ihr Lachen und Singen, dieser Ausdruck unbändiger Lebensfreude, versüßten ihr das Aufstehen, und ihr fiel erst jetzt auf, dass sie das seit Tagen nicht mehr gehört hatte.
    »Ich werde es meinem Mann heute noch sagen«, versprach sie, füllte ein großes Tongefäß mit Bier und reichte es ihnen. Jede trank davon und gab es weiter an die Nächste, deutlich ihre Zufriedenheit zeigend, dass die weiße Nkosikasi sich zu benehmen wusste. Nach wortreichem Abschied gingen sie, und noch für Minuten hörte Catherine ihre munteren Stimmen.
    Die Stil e, die sich wieder über ihr Haus senkte, lastete umso schwerer.' In Windeseile sattelte sie Caligula. Zwei Stunden später hatte sie Johann gefunden. Er war auf den Maisfeldern, um sich anzusehen, welchen Schaden die Vögel unter dem fast reifen Korn angerichtet hatten. Rund um die Felder waren winzige Bienenkorbhütten auf Plattformen gebaut, die etwa vier Fuß hoch waren. Sie dienten den Zulufrauen, deren Aufgabe es war, die Vögel zu verjagen, als Schutz gegen Sonne und Regen. Johann gab ihnen gerade Anweisungen. Catherine glitt vom Pferd.
    »Das Vieh knall ich ab«, fluchte er, als er ihren Bericht hörte »und zwar heute Nachmittag noch.« Rasch zahlte er den Frauen ihren Lohn aus und ritt mit ihr nach Hause. »Wir haben noch vier Stunden Tageslicht, das wird reichen.« Im Hof von Inqaba saß er ab und erklärte Mzilikazi, der seine Kuh gefunden hatte,
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    in schnellem Zulu, was er beabsichtigte zu tun. »Du kommst mit«, befahl er und lief ins Haus, um seine Büchse zu holen.
    Mzilikazi bewaffnete sich mit seinem Assegai und dem Hackschwert, und gemeinsam marschierten sie über den schmalen Trampelpfad den Abhang seitlich des Hauses hinunter. Bald verrieten Catherine nur noch hin und her schlagende Buschkronen ihren Weg. »Sei vorsichtig, ich bitte dich«, rief sie ihm nach.
    Mithilfe von Jikijiki machte sie sich daran, das Abendessen vorzubereiten. Mehrere Schüsse rollten durchs Tal und wurden donnernd von den Hügeln zurückgeworfen. Bepperl verschwand jaulend unter der Kommode im Wohnzimmer. Als die ersten blauen Schatten schon über dem Land lagen, tauchte Johann zu ihrer Erleichterung aus dem Busch auf.
    Aufgespießt auf lange Stöcke, schleppte er mehrere Klumpen blutiges Fleisch, die er auf den Küchentisch warf.
    Sie sprang zurück. »Was ist das? Etwa Krokodil? Erwartest du, dass ich das auch noch esse?«
    »Stell dich nicht so an, es ist köstlich«, erwiderte er schärfer, als er beabsichtigte. Doch er war müde und abgespannt, und seine Geduld war bis zum Zerreißen gespannt. Mzilikazi hatte sich am Wasserloch strikt geweigert, das tote Krokodil auch nur anzurühren.
    »Fasse ich ein Krokodil an, werde ich zu den Ahnen gehen, ehe der Mond sechsmal gestorben ist«, rief er und rollte seine Augen, bis Johann nur noch das Weiße sehen konnte.
    Ungeduldig stemmte er den abgeschnittenen Krokodilkopf hoch und warf ihn Mzilikazi hin. Der sprang mit einem Aufschrei zurück, aber der Kopf traf ihn trotzdem. Der Zulu wurde grau wie erkaltete Asche. »Ich bin tot«, flüsterte er. Mehr nicht.
    Johann tat es sofort Leid, und er entschuldigte sich. Aber Mzilikazi reagierte nicht. Es war, als stünde nur noch die äußere Hülle von Mzilikazi vor ihm. Seine Augen waren stumpf und schienen nichts wahrzunehmen, sein Atem ging flach und sehr langsam. Für einen Augenblick befürchtete Johann, dass er hier und auf der Stelle sterben würde, atmete aber auf, als Mzilikazi sich steifbeinig auf den Rückweg

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