1 - Schatten im Wasser
stieß ein fauchendes Kichern aus und sagte etwas.
Catherine lief es eiskalt den Rücken herunter. Es war ihr auf einmal unmöglich, sich zu bewegen. Ihre Glieder waren wie aus Blei, und sie bekam kaum noch Luft. Erst als die Sangoma sich wegdrehte und in Mzilikazis Hütte verschwand, fand sie die Kraft, sich ins Haus zurückzuschleppen. Nicht ein einziges Mal wagte sie es, sich umzusehen.
Die Zeremonie dauerte Stunden. Merkwürdige und beängstigende Geräusche drangen aus der Hütte. Mzilikazi schrie ein 481
mal, ein ganz und gar unmenschlicher Laut. Jikijiki, die Catherine damit überraschte, dass sie sich ihr in die Arme warf und den Kopf an ihrer Schulter verbarg, wimmerte erschrocken auf. Catherine tröstete sie mit leisen Worten. Erst als die Sonne sich schon senkte, verließ die Sangoma, die störrische Ziege am Strick hinter sich herziehend, Inqaba.
Jikijiki flog förmlich zur Hütte, gefolgt von Johann und Catherine. Sie fanden Mzilikazi reglos auf dem Rücken am Boden liegend, Arme und Beine weit von sich gestreckt, die Augen fest geschlossen. Seine Verlobte warf sich mit lautem Wehklagen über ihn.
»Um Himmels wil en, dieses Teufelsweib hat ihn umgebracht«, flüsterte Catherine. Ihr schlotterten noch die Knie von der Begegnung mit der alten Zauberin. Aber Jikijiki richtete sich auf, und ihr strahlendes Gesicht belehrte sie eines anderen. Mzilikazi schlief einfach, tief und fest, und als er am Abend aufwachte, waren seine Bewegungen wieder die eines jungen Mannes, seine Augen klar, und seine Haut hatte einen gesunden Schimmer. Vor sich hinsingend machte er das Feuer fürs Abendessen, als sei nichts gewesen, ja es schien, dass er alles, was in der letzten Zeit vor sich gegangen war, vergessen hatte.
»Was diese Sangoma da gemacht hat, waren natürlich Taschenspielertricks, Humbug«, sagte Catherine später beim Abendessen zu Johann, obwohl der Blick der Alten sich derart auf ihrer Haut eingebrannt hatte, dass sie ihn noch jetzt spürte. »Suggestion, Hypnose, was weiß ich.«
Sie brach ein Stück Brot ab und wischte den Rest der Suppe vom Teller.
Johann hob die Brauen. »Hat aber geholfen, oder nicht?«
Am nächsten Tag, kurz vor Einbruch der Dunkelheit, stand Jikijiki vor der Küchentür. Sie hielt einen wunderschön verzierten Tonkrug im Arm, der bis zum Rand mit Amasi gefüllt war. Sie sank vor Catherine auf die Knie und reichte ihr den Krug.
»Yabonga ghakulu«, flüsterte sie und lächelte mit in Tränen schwimmenden Augen. Dann huschte sie davon.
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Catherine stand da, hielt den schweren Tontopf und verstand nicht, warum sie sich auf einmal so glücklich fühlte.
*
Es war windstil und feucht, und die Mücken waren wieder unterwegs.
Ochsenfrösche blökten, und Fledermäuse schössen dicht an ihren Köpfen vorbei und stopften sich ihre Bäuche mit Insekten voll, die vom Kerzenlicht angezogen wurden. Hunderte von Ameisen schwirrten ins blakende Licht, orientierungslos stürzten sie geradewegs in die Flammen. Ihre hauchzarten Flügel fielen ab und bedeckten den Tisch mit einer kostbar glänzenden Decke, die Überlebenden raschelten über den Fußboden. Johann wedelte heftig. Die schimmernden Flügel fielen wie silbriger Regen vom Tisch.
»Die Termiten schwärmen. Es wird Gewitter geben, heute Abend noch«, bemerkte er.
Wie um seine Worte zu unterstreichen, zuckten vielfach verästelte Blitze über den Horizont, Donner rollte, und über den Hügeln baute sich eine schwarze Wolkenwand auf. Johann warf seine Gabel hin, holte in Windeseile die Holzläden aus dem Schuppen und nagelte sie vor die Fenster. Scharniere gab es in Durban noch immer nicht. Catherine stellte alle möglichen Gefäße bereit, um durchleckenden Regen aufzufangen, und als der Sturm losbrach, waren sie bereit.
Es kam Blitz auf Schlag, ohne Unterlass. Inqabas Rieddach war zundertrocken, der geringste Funke würde es in eine Fackel verwandeln, und sie wagten nicht, zu Bett zu gehen. Der Regen trieb in dichten Schleiern übers Land, und sein Rauschen war so heftig, dass alle anderen Geräusche darin ertranken. Bald saugte sich das Ried voll, und ein Wasservorhang stürzte von der Dachkante. Im Schein der Talgkerze saß Johann über dem Zuchtbuch seiner Rinder, und Catherine begab sich quer durch die portugiesische Entdeckungsgeschichte des südlichen Afrikas auf die Spur der de Vila Flors. Das war etwas, was sie sich schon lange vorgenommen hatte.
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»Wo ist der Umzimvubufluss?«, fragte sie nach einer Weile.
Er
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