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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Kräutermedizin. In kurzen Abständen flößte Catherine 494
    ihm das Gebräu ein, beobachtete dabei angstvoll, dass er trotz der dicken Winterbettdecke fror. Später streckte sie sich voll angekleidet auf ihrem Bett aus, um neben ihm zu wachen.
    In der Nacht verschlechterte sich sein Zustand dramatisch. Sein Schüttelfrost war so stark, dass Catherine, die eingenickt war, aufschreckte.
    Sie zündete eine Kerze an. Zu ihrem Entsetzen reagierte er kaum, als sie ihn ansprach, war gar nicht richtig bei sich. Mit einem Satz sprang sie aus dem Bett und rannte mit fliegendem Röcken in die Küche. Im fahlen Schein des nahenden Morgens, der durch die Fensteröffnung floss und den Raum in gespenstisches Licht tauchte, durchsuchte sie hastig die Küche nach Resten des Fiebertranks, fand aber, dass nichts mehr übrig war. Hellwach durch den Schreck, überlegte sie.
    Er schien eine besonders schlimme Form des Sumpffiebers zu haben.
    Sie hatte davon gehört, dass es Malaria gab, bei der nur alle drei oder vier Tage kurze Fieberschübe einsetzten, die aber nicht zum Tode führte, ja sogar manchmal von allein verschwand. Aber dann gab es das Tropenfieber, das unregelmäßig war und das am Ende in Schwarzwasserfieber überging und oft in wenigen Tagen tötete. Johann hatte sehr hohe Temperatur, und sie bemerkte, dass immer wieder Krämpfe durch seinen Körper liefen. Ihr schien es offensichtlich, dass es mit ihm rapide bergab ging. Sie eilte zurück, setzte sich auf seine Bettkante und legte ihm die Hand auf die Stirn. Seine halb geöffneten Augen waren tief in ihre Höhlen gesunken, wirkten wie mit Gelee überzogen, seine Haut brannte, er schlotterte am ganzen Körper.
    Himmel, was sollte sie tun? Sie kannte weder die Pflanze, noch die Dosis, die Sicelo verwandte. Er nahm einfach eine Hand voll davon und bereitete einen Aufguss aus den zerrupften Blättern. Nichts hasste sie mehr, als von anderen Menschen abhängig zu sein. An welchem Ende von Zululand sollte sie beginnen zu suchen? Einzig an ihrem hellen, würzigen Aroma würde sie das Kraut erkennen können. Ein Wimmern riss ihr den Kopf herum. Johann starrte sie aus fiebergeröteten Augen an, nahm sie aber nicht wahr. Dann sagte er etwas, das wie 495
    Mama klang, doch sie war sich nicht sicher. Aber es erschreckte sie derart, dass sie einen Entschluss fasste. Rasch tauchte sie ein paar Tücher ins Wasser, wrang sie aus, rieb ihn damit ab und legte sie ihm dann auf die Stirn und um die Waden. »Ich komme gleich wieder, mach dir keine Sorgen«, flüsterte sie. »Bepperl, Platz«, befahl sie dem Hund, der leise jaulend vor dem Bett saß. Barfuß rannte sie hinaus, die Angst verlieh ihr Flügel. Sie lief ohne Rücksicht auf Dornen und ihre Furcht vor Schlangen, die am frühen Morgen gern im warmen Sand des Weges lagen, bis sie Sicelos Hütte erreichte.
    »Sicelo, woza!«, schrie sie schon von weitem, schlug ohne große Zeremonie die Kuhhaut vor dem Kriecheingang seiner Behausung zurück und steckte den Kopf hinein. »Sicelo?« Sie bekam keine Antwort, wartete, bis sich ihre Augen an das dämm- rige Licht gewöhnt hatten, und sah sich dann um. Seine Schlafmatte lag nicht da, der Zulu schlief heute wohl in seinem Umuzi oder draußen bei den Rindern. »Hölle und Verdammnis«, wisperte sie. Wie sollte sie ihn nur rechtzeitig erreichen? Wie lange würde Johann noch durchhalten? In der Mitte der Hütte, neben dem erkalteten Feuer, lagen einige Stängel angewelktes Grün. Entschlossen kroch sie auf Händen und Knien hinein und untersuchte die Pflanzenreste, zupfte Blätter ab, zerrieb sie zwischen Daumen und Zeigefinger, schnupperte und schmeckte, sog die verschiedenen Gerüche tief ein und hoffte auf den hellen, würzigen Duft des Fieberkrauts. Sie machte die Augen zu und schloss alle anderen Sinne aus, konzentrierte sich nur auf jenes Aroma, und dann endlich war sie fast sicher, dass sie das Fieberkraut in den Fingern hielt.
    Rasch steckte sie es in die Rocktasche und wandte sich dem Ausgang zu, als der Raum plötzlich dunkel wurde. Sie sah hoch.
    Sicelo saß da, und sein muskulöser Oberkörper blockierte die Eingangsöffnung völlig. An dem brennenden Ausdruck seiner dunklen Augen erkannte sie, dass er alles gesehen hatte. Sie wagte nicht einmal mehr zu atmen. Hilflos starrte sie ihn an, gefangen von ihrer Angst und seiner kraftvollen Persönlichkeit.
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    »Johann ...«, stotterte sie und hob die Hände wie in Kapitulation.
    Plötzlich wurde es hell. Sicelo war verschwunden, und

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