1 - Schatten im Wasser
Sawubona«, grüßte sie der große Zulu mit jenem Lächeln, das er ihr seit diesem magischen, ganz und gar unerklärlichen Augenblick am Krankenlager von Onetoe-Jack jetzt häufiger schenkte.
»Ngibonawena«, antwortete sie. »Und ich sehe dich.« Mit knappen Worten erklärte sie die Lage. »Es geht ihm schlecht, er ist kaum noch bei sich, und er braucht deine Hilfe. Zeige mir die Pflanze, die von deinem Stamm als Medizin gegen das Sumpffieber eingesetzt wird.« So schnell wie möglich musste sie Johanns Fieber herunterbringen. Ihre größte Angst war, dass
492
er in diesen Dämmerzustand permanenter innerer Überhitzung fallen könnte, aus dem so viele Malariakranke einfach in den Tod hinüberglitten.
»Bitte«, sagte sie und legte ihre Handflächen aneinander wie zum Gebet.
»Ich biete dir eine Kuh, so viel, wie dir damals dein eigenes Leben wert gewesen ist. Nimm sie und opfere sie deinen Ahnen, damit sie ihr Wohlwollen auf unser Haus übertragen.« Es war ihr vollkommen gleich, ob Sice- lo die Kuh mit seiner Familie aufaß oder sie wirklich seinen Ahnen opferte, solange es ihn dazu bewog, ihr zu verraten, welches Kraut die Zulus gegen Malaria einsetzten.
Sicelos dunkle Augen glitten von ihr ab. Sie versuchte seinen Blick einzufangen, doch er wich ihr aus, starrte auf einen Punkt hinter ihr.
Langsam wandte sie sich um. Im Schatten eines Ama- tungulubusches stand die alte Zauberin. Catherines Herz machte einen Sprung, so bösartig war der Ausdruck der blutunterlaufenen Augen. Die Alte sagte etwas, das sie nicht verstand, und sie sah fragend zu Sicelo hinüber.
Der jedoch senkte die Lider, antwortete der Medizinfrau in Stakkatosätzen und begleitete seine Worte mit weit ausholenden Gesten, aber sie schienen an der alten Frau abzuprallen. Sie watschelte heran und zerrte an Catherines Rock, ehe diese sie abwehren konnte.
»Yiya«, zischte die Alte. »Yiya, umthakathi!«
»Du musst gehen«, murmelte Sicelo. »Schnell. Ich werde später kommen.«
Als wären alle Teufel der Hölle hinter ihr her, wendete sie Caligula und preschte den gefährlich steilen Weg hügelabwärts, begleitet vom gackernden Gekicher der alten Frau, bis dichtes Buschwerk sie ihren Blicken entzog. Umthakathi, Hexe, hatte sie die Zauberin genannt. Ihr standen alle Haare zu Berge, als sie daran dachte, was mit Zulus passierte, die als Hexe beschuldigt wurden.
Jikijiki hatte es ihr einmal erzählt, angstbebend, als würden schon die Worte allein dieses Schicksal auf sie herabbeschwören. »Sie werden mit dem Bärtigen verheiratet«, wisperte sie.
493
»Wer ist das?«, hatte Catherine arglos gefragt.
Es hatte lange gedauert, ehe das junge Mädchen antwortete, und auch dann wurde sie nicht deutlicher. »Die Hyänenmänner des Königs nehmen sie mit zum Hügel der Knochen, und da wird sie mit dem Bärtigen verheiratet.«
Erst als sie verstand, was Jikijiki mit ihrer Handbewegung meinte, hatte es ihr gedämmert, dass diese Menschen aufs Grausamste hingerichtet wurden. »Hügel der Knochen?«, flüsterte sie.
»Es leben dort Hyänen, deren Augen aus glühenden Kohlen sind. Sie hinterlassen nichts als weiße Knochen. Die Hyänenmänner selbst und sogar die Mantindane, die Tote sind, die durch Hexerei zum Leben erweckt wurden, fürchten sich vor ihnen.«
Für Sekunden geriet sie jetzt in Panik, als sie an den Hügel der Mimosen dachte, was sie dort mit ansehen musste. Ihr Herz jagte, ihre Kehle war papiertrocken. Doch dann fasste sie sich. »Welch ein Unsinn«, rief sie laut in den Busch. »Ich bin weiß, was kümmert's mich.« Schon der Klang ihrer eigenen Stimme hatte etwas Beruhigendes, trotzdem trieb sie Caligula zu größter Eile an, und bald erreichte sie Inqaba. Sie sprang vom Pferd, band es mit fliegenden Händen am Kaffirbaum fest und rannte ins Schlafzimmer.
Johann war wach und sah sie aus trüben Augen an. »Wo warst du?«
Sie kniete vor ihm am Bett, befühlte seine Stirn, die glühend heiß war.
Die Wadenwickel waren völlig ausgetrocknet. »Ich habe Sicelo Bescheid gesagt, dass du Hilfe brauchst. Er kommt, so schnell er kann«, sagte sie, während sie die Tücher wieder anfeuchtete. Von der alten Zauberin erzählte sie nichts.
»Warum hast du nicht Mzilikazi geschickt?«
»Er ist mal wieder verschwunden. Ich habe die Nase wirklich voll von ihm!«
»Ich dreh ihm den Hals um, sobald ich wieder dazu imstande bin«, murmelte er und schloss die Augen.
Sicelo brachte Johann am späten Nachmittag einen Tontopf seiner
Weitere Kostenlose Bücher