1 - Schatten im Wasser
sie vollbracht hatte. »Hast du das Rezept aufgeschrieben? Malaria werden wir immer wieder bekommen, auch du bist in Gefahr, und dann möchte ich ein Mittel dagegen in der Hand haben. Unser größtes Unglück ist, dass die Setzlinge des Cinchonabaums, die mein Freund aus Bolivien herausgeschmuggelt hatte, mit der White Cloud untergegangen sind.
Chinarinde gibt es nur selten in Durban zu kaufen, und wenn, ist das Pulver unglaublich teuer, und es ist nicht abzusehen, wann es hier in ausreichender Menge zur Verfügung stehen wird.
Auch die Zusammensetzung der Mischung aus Honig und Kräutern, die Cil a auf deine Brandwunde aufgetragen hat, solltest du notieren, wie alles, was du in dieser Hinsicht lernst. Es wird der Tag kommen, da uns dieses Wissen das Leben retten kann. Du machst dir keinen Begriff, wie wichtig das ist. Unser Überleben in Natal hängt davon ab. Farmen verwaisen, weil das Fieber ihre Besitzer dahingerafft hat, und ganze Jagdgesellschaften fallen ihm innerhalb von ein oder zwei Wochen zum Opfer.«
Erleichtert, ihn ein weiteres Mal abgelenkt zu haben, stand sie auf. »Ich weiß nicht, welches Kraut es war, und ich habe es nie wieder gefunden.
Nur an seinem Duft und den silbrig grünen Blättern könnte ich es erkennen.
Ich habe mich noch einmal in den Busch gewagt, aber alle Pflanzen, die dort wuchsen, waren herausgerissen worden. Aber ein kleines Bündel ist übrig geblieben, das ich getrocknet habe.« Sie beschrieb ihm das Aussehen. »Kannst du dich noch an seinen Geruch erinnern?«
»Den werde ich nie vergessen. In Zukunft werde ich auf jedem Ritt Ausschau nach dem Fieberkraut halten. Wir brauchen es.«
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»Al e anderen Rezepte habe ich niedergeschrieben, auch das von Sicelos Giftzwiebelumschlag. Geh in die Küche und sieh dir die Wand über dem Tisch an.«
»Die Wand?«
Sie zuckte die Achseln »Nachdem die Heuschrecken den Teil der Maisernte gefressen haben, der für neue Schuhe und auch Papier bestimmt war, habe ich die Wand dafür benutzt.« Sie biss sich auf die Lippen, um ihrer Bitterkeit nicht nachzugeben.
Verdutzt ging er in die Küche. In ihrer säuberlichen Schrift hatte sie auf der Wand über dem Tisch bereits mehrere Rezepte für Kräutermischungen aufgeschrieben. Die Wand war rau, die blasse Tintenfarbe sagte ihm, dass es selbst gemachte aus zerstoßener Kohle mit einer dünnen Leimlösung war. Es musste viel Arbeit für sie bedeutet haben. Von schlechtem Gewissen übermannt, kratzte er sich am Kopf. An die Tage seines letzten Anfalls erinnerte er sich nur bruchstückhaft. Was ihm ins Gedächtnis gebrannt war, war dieser unaufhaltsame Sog in den Tod gewesen, die pechschwarze Gewissheit zu sterben und die bodenlose Verzweiflung, Catherine al ein lassen zu müssen. Dank ihres Mutes hatte er überlebt.
Was war dagegen der Preis für ein paar Blätter Papier und Tinte? Das Handtuch um die Schultern gelegt, ging er zurück ins Schlafzimmer, kniete sich neben sie und zog sie an sich. »Du bekommst Papier, Tinte und Schuhe, das verspreche ich dir, und wenn ich eine Kuh verkaufen muss.«
Sie befreite sich aus seiner Umarmung, um ihn ansehen zu können.
»Was hat deinen Sinneswandel hervorgerufen?«
»Es hat ungeheuren Mut erfordert, diese Entscheidung zu treffen.
Andere hätten vielleicht lieber nichts getan vor lauter Angst, sich für das Falsche zu entscheiden, und dann wäre ich heute nicht mehr am Leben. Ich bin unglaublich stolz auf dich. Ich glaube, ich habe dir das nie gesagt, und es tut mir Leid.«
Sein Lob verschlug ihr für Sekunden die Sprache. Ihr Vater hatte sie nie für etwas anderes gelobt als ihr Aussehen. Wie gut es tat, wie unglaublich gut. Sie glühte vor Freude. »Danke«, sagte sie ein wenig verlegen und beugte sich vor, tat so, als studiere sie ihre Zeichnung auf dem Kistendeckel.
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Neugierig betrachtete er die geheimnisvollen Zeichen. »Was machst du da?«
»Ich zeichne den Weg der de Vila Flors nach, und da ich wie gesagt kein Papier mehr habe, muss die Bücherkiste herhalten. Es ist die einzige Fläche, die groß genug ist. Zeig mir bitte, wo ungefähr der Umzimvubufluss im Verhältnis zu Durban liegt.«
Er legte seinen Arm um sie, studierte dabei das Gekrakel auf dem faserigen Holz und erkannte dann die groben Umrisse der Bucht von Natal.
Er legte seinen Finger auf einen Punkt weit südlich von Durban. »Hier in etwa.«
Sie machte ein Kreuz und schrieb den Namen dazu. »Hier war der Umgeni, wenn ich mich richtig erinnere?« Als er nickte,
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