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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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zeichnete sie auch diesen Fluss ein und, die Entfernungen mit der Spanne ihrer Hand messend, den Umvoti und den mächtigen Tugela, die Grenze Zululands und schließlich den Umfolozi.
    »Hier ...« Johann fuhr einen Flusslauf mit dem Finger nach, »hier gabelt sich der Umfolozi in den Weißen und den Schwarzen Umfolozi, und hier zwischen dem Hluhluwe und dem Schwarzen Umfolozi liegt Inqaba.« Er nahm ihr den Kreidestein aus der Hand und markierte die Stelle mit einem Stern. Gemeinsam arbeiteten sie aus, wo im Verhältnis die Delagoabucht lag, debattierten noch lebhaft über den richtigen Maßstab, und endlich stand sie zufrieden auf.
    »Am Umzimvubufluss sind sie gestrandet und von da aus zur Delagoabucht gewandert. Ich werde ihren Weg nachvollziehen«, erklärte sie und wischte sich die kreidigen Hände am Rock ab. »Irgendwo dazwischen liegt die Stelle, wo du das Gold und den Schmuck entdeckt hast. Wir müssen die Stelle wieder finden, und dann werden wir vielleicht den Rest von Donna Leonoras Juwelen aufspüren. Die de Vila Flors haben Stück für Stück Schmuck und Gold für ihr Überleben hergegeben.

    Diejenigen, die sie bezahlt haben, hatten keinerlei Gelegenheit, sich etwas dafür zu kaufen. Mit großer Wahrscheinlichkeit trugen sie ihren Schatz noch am Leib, als sie starben. Ihre Leichen sind längst vermodert und zu Staub zerfallen, Gold und Schmuck aber ist unzerstörbar. Irgendwo da draußen liegt ein Schatz in
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    der afrikanischen Erde, nicht einmal tief, denke ich mir, denn keiner der Schiffbrüchigen wird genügend Kraft gehabt haben, die Toten zu begraben.
    Wenn ich ihren Weg verfolge, werde ich diesen Schatz finden.« Mit kräftigen Bewegungen staubte sie ihr Kleid ab. »Hast du Hunger? Ich werde Mzilikazi sagen, dass er uns ein Huhn fürs Frühstück schlachtet.
    Außerdem haben wir Eier. Die rotbraune Henne hat sich endlich bequemt zu legen.« Damit verschwand sie durch die Tür, und bald hörte er die Töpfe in der Küche klappern.
    Johann blieb vor der Karte stehen, einen Finger auf das Kreuz, das Inqaba darstellte, gelegt, mit dem anderen wanderte er langsam südostwärts. Brütend starrte er dabei ins Leere. Etwas an dem Gewässer, in dem er das Gold gefunden hatte, war ihm ungewöhnlich erschienen, aber er hatte nicht weiter darüber nachgedacht. Die Umgebung war wie an allen küstennahen Flüssen Natals gewesen. Grün und üppig und von Mücken verseucht. Er schloss die Augen, um sich zurückzuversetzen. Palmen wuchsen in dichten Gruppen, Mangroven und ein Baum mit eigenartigen Blüten wie aufgeplusterte, weiße Wattebäusche. Der Fluss war fast ausgetrocknet gewesen, sein Bett aus goldrotem Sand, und die Felsen, die aus den spärlichen Wasserpfützen ragten, waren rund geschliffen. Nichts Ungewöhnliches. Frustriert blickte er auf die Karte.
    Was hatte er gemacht, bevor er diesen Schurken im Flussbett zwischen den Felsen hängend gefunden hatte? Plötzlich meinte er salzige Luft zu riechen und hörte das entfernte Rauschen der Meeresbrandung, und das löste die Blockade. Er war auf einen Baum gestiegen und hatte entdeckt, dass er sich in der Nähe des Ozeans befand. War es das gewesen?
    Lautlos pfiff er durch die Zähne, wie immer, wenn er sich sehr konzentrierte, marschierte mit dem Finger über die Karte, die Flüsse hinauf und die Flüsse hinunter, an der Küste entlang und dorthin, wo die Hügel zu Bergen wurden. Die Mittagssonne strömte durch die geöffnete Verandatür, der Schatten seiner Hand verlief genau auf der Küstenlinie.
    Und dann traf es ihn. Das war es. Der Fluss lief nicht vom Inneren des Landes zur Küste, sondern parallel dazu, und zum Sü-
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    den hin war ein Schimmern und Glitzern gewesen, das nur von einem riesigen See herrühren konnte. »Catherine«, rief er in die Küche. »Hör mal, woran ich mich erinnert habe!«
    Sie befragte ihn mit einer Hartnäckigkeit, die jedem Polizisten Ehre gemacht hätte, und holte zu seinem großen Erstaunen noch einige bruchstückhafte Erinnerungen aus den schlammigen Tiefen seines Gedächtnisses ans Licht.
    »Ein versandetes Flussbett, das parallel zur Küstenlinie verläuft und offenbar in einen großen See mündet. Wo gibt es hier in Küstennähe einen solchen See?«, bohrte sie.
    »Es gibt mehrere Seen an der Küste, aber der größte ist der St.-Lucia-See, der eigentlich eine Bucht ist... hier etwa liegt er.« Etwa auf der Höhe Inqabas zeichnete er, haarscharf an der Küste verlaufend, den See ein, der im unteren Teil

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