1 - Schatten im Wasser
bringen.«
Die beiden Frauen zogen sich ins Schlafzimmer zurück, und Catherine berichtete ihr von ihrem Dilemma mit Jikijiki und der Idee, ihr aus dem Nachthemd ihres Vaters ein Kleid zu nähen. »Es wird nicht gerade die letzte Pariser Mode sein, aber ich werde sie zwingen, es zu tragen«, sagte sie. »Hilfst du mir, es zu säumen?«
Lil y, die ebenfalls die Blicke der Männer wahrgenommen hatte, stimmte sofort zu, und zusammen schneiderten sie ein einfaches Gewand für Jikijiki.
Ärmellos, gerade, bis zur Mitte der Waden fallend, mit einer durchgehenden Knopfleiste. Es dauerte keine Stunde, und es war fertig. Catherine rief das Mädchen zu sich. Die junge Zulu beäugte es misstrauisch, hob es mit spitzen Fingern hoch, wendete es hin und her.
»Cha!«, rief sie, warf es auf den Boden und verschränkte die Arme über ihrer nackten Brust, ein Bild eiserner Unnachgiebig- keit.
»Das bedeutet wohl, sie wil nicht, oder?«, fragte Lil y, die kein Zulu sprach.
Catherine nagte an ihrem Zeigefinger. Jikijikis Weigerung war deutlich gewesen, und sie war ratlos. Wie sollte sie diesem Naturkind beibringen, dass weiße Männer an freizügige Nacktheit bei Frauen nicht gewöhnt waren? Kein Zulu dachte sich etwas dabei, es war ihr Brauch. »Wie sind eure Schwarzen gekleidet?«, fragte sie.
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»Die, die von den Missionaren bekehrt worden sind, tragen Kleider, aber nur, wenn sie im Haus von Weißen arbeiten. Sonst laufen sie auch herum, wie Gott sie geschaffen hat. Nackt.«
Es erwies sich als zwecklos, mit Jikijiki zu reden. Al e Argumente prallten an ihr ab, und entmutigt gab Catherine endlich auf. »Ich hoffe nur, dass sie nie zu Schaden kommt«, sagte sie und warf das Nachthemdkleid aufs Bett.
Sie nahm sich vor, die Zulu heute Abend wegzuschicken.
Als sie sich endlich alle zum Dinner niederließen, erschien Catherine doch in der Pracht ihres aprikosenfarbenen Seidenkleids, und Lil y zauberte ein ähnlich schönes in Kornblumenblau aus ihrer Reisetasche. Al e Herren erhoben sich von den Sitzen, als die beiden Damen hereinrauschten, schoben ihnen die Stühle zurecht, und sie tafelten bei schimmernden Kerzen. Andrew Sinclair schien einen unerschöpflichen Vorrat an Wein und bestem Brandy in seinem Wagen mit sich zu führen, Johann tischte Bier auf, und Catherine opferte freudig alle Kerzen für diesen Anlass. Nach dem Abendessen schoben sie Tisch und Stühle beiseite.
»Lasst uns eine Scharade aufführen«, schlug Lil y vor. »Catherine und ich fangen an.«
Es gab viel Gelächter, und später tanzten sie sogar noch, nachdem die anwesenden Herren einige Balladen zum Besten gegeben hatten. Die zwei Glücklichen, die eine Partnerin abbekamen, schwangen sie zum lautstarken Gesang und Händeklatschen der übrigen mit unermüdlicher Energie herum.
Vier der Herren waren besonders begabt, konnten fast jede populäre Tanzmelodie pfeifen und stimmten einen Walzer an. Die anderen fielen sofort ein. Manche strichen imaginäre Geigen und produzierten mit gespitzten Mündern hingebungsvoll die passenden Töne, zwei andere imitierten mit ihren zu Tunneln geformten Händen Trompeten, die übrigen trommelten den Takt auf dem Tisch. Catherine und Lil y gaben sich mit Wonne der sinnlichen Musik hin.
»Da haben wir ja noch eine entzückende junge Dame«, rief einer der Begleiter Andrew Sinclairs und hörte mit Trommeln auf.
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Catherine, die in Andrew Sinclairs Armen über die Veranda schwebte, wandte ihren Kopf.
Im Schein des Kochfeuers stand Jikijiki, und sie trug das weiße Nachthemdkleid. Sie hatte einem Gürtel aus farbigen Perlen um ihre Tail e gewunden, die Knöpfe waren nicht geschlossen, ihre wohlgeformten Beine waren bis zu den Schenkeln entblößt. Um ihre Stirn glänzte das Perlband, in ihr Kraushaar gesteckt trug sie eine Dolde der gelben Mimosenblüten.
Ihre Augen waren groß und leuchtend und ihre Lippen leicht geöffnet, als hätte sie etwas Wunderbares erblickt. Eine prächtige Abendrobe hätte keine größere Wirkung haben können.
Der Gesang der Herren erstarb, aller Augen ruhten auf der schönen Zulu, die Luft begann zu knistern. Catherine wand sich aus den Armen ihres Tänzers, warf Johann einen Hilfe suchenden Blick zu, erntete aber nur ein ebenso hilfloses Schulterzucken. Bevor sie sich gefasst hatte, hob die junge Zulu graziös ihre Arme, als umfasse sie ihren Tanzpartner, und mit klarer Stimme den Walzer trällernd glitt sie im vollendeten Dreivierteltakt über die Veranda. Das weiße Sackkleid wehte,
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