1 - Schatten im Wasser
ihre Beine flogen. Die Anwesenden wichen überrascht aus dem Lichtkreis zurück, niemand sagte etwas, bis einer der begabten Pfeifer leise begann, die Melodie mitzuflöten.
Nach und nach fielen die Geigen ein, und die Trommler schlugen den Takt, ganz sanft. Immer schneller wurden Jikijikis Drehungen, längst tanzte sie nicht mehr mit einem unsichtbaren Partner, sondern nur noch für sich, und längst war ihr Rhythmus nicht mehr der der Musik der Weißen. Ihre Füße trommelten auf den Boden, sie warf ihren Kopf zurück, schlängelte sich, riss die Trommler und Geiger und Flötisten mit, bis aus dem sanften europäischen Walzer ein wilder afrikanischer Tanz geworden war, der das Blut aufpeitschte und die Beine zucken ließ.
Einer nach dem anderen verstummten die Musiker, bis Jikijiki sich mit geschlossenen Augen zu einer Melodie bewegte, die nur noch sie hörte.
Das Kleid war ihr von der linken Schulter gerutscht, unter dem langen Schlitz schimmerte die seidige Haut ihrer Beine. Al e Männer, bis auf Johann, starrten nur noch die
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Zulu an. Catherine erschrak zutiefst. Es waren die gleichen Blicke wie die der lüsternen Matrosen, die ihr weiland an Bord der Carina nachgestellt hatten. Nur Johann hatte nicht diesen Blick, seiner war weicher, als erinnerte auch er sich an etwas, aber an etwas Schönes.
»Das ist ja skandalös«, zischte Lil y und raffte ihre Röcke. »Sag ihr, sie soll verschwinden und unsere Männer nicht verrückt machen.«
»Das ist nicht ihre Absicht«, flüsterte Catherine und überlegte dabei fieberhaft, wie sie Jikijiki heute Nacht vor Übergriffen schützen sollte. »Sie spricht mit uns. Sie sagt uns, dass sie Afrikanerin ist und dass sie darauf stolz ist...«
»Sie ist ein Kaffer, jag sie weg«, fauchte Lil y.
Ihre Reaktion war so heftig, dass Catherine nachdenklich zu Andrew hinübersah. Sie hatte von einigen Weißen gehört, die schwarze Haut liebten. Onetoe-Jack war da ein herausragendes Beispiel.
Da trat Johann vor, zog Jikijiki in seine Arme und wirbelte sie erst in schnellen Drehungen über die Veranda, dann schwang er sie herum und mit langen Tanzschritten aus dem Lichtkreis hinaus, bis er vor Mzilikazi stand, der aus dem tiefen Schatten neben der Küchentür zugesehen hatte.
Mit einer Verbeugung lieferte er seine Tänzerin bei ihrem Verlobten ab.
»Hambani kahle«, sagte er leise. »Geht in Frieden.«
Catherine verschlug die Eleganz dieser Geste fast den Atem. »Bitte entschuldigen Sie mich«, sagte sie zu Andrew Sinclair und sank vor ihrem Mann in einen Hofknicks. »Darf ich bitten?«, fragte sie mit leuchtenden Augen.
»Das war außerordentlich galant, geradezu französisch, mein Kompliment«, murmelte Andrew. »Wer hätte das von einem Bayern gedacht? Sie hätten Diplomat werden sollen.«
Als Catherine endlich im Bett lag, durchlebte sie dieses Fest wieder und wieder, bis sie in den Schlaf hinüberglitt und im Traum mit Johann über die Veranda walzte.
*
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Am nächsten Morgen wurde sie durch Gelächter und fröhliches Geschrei geweckt. Lil y hatte bei ihr geschlafen, Johann und Andrew Sinclair im Wohnzimmer, die übrigen Gäste im Planwagen. Sie schob die Vorhänge zur Seite und sah hinaus. Der schwarze Koch der Sinclairs hatte offenbar schon Frühstück gemacht und draußen auf der Veranda gedeckt. Die Männer tranken bereits die erste Kanne Kaffee, und manch einer hatte schon die Brandyflasche neben sich. Rasch machten sich die beiden Frauen fertig.
Zu Johanns offensichtlicher Erleichterung erschien Catherine nicht in Männerhosen. Lil y hatte noch am Abend die Risse in ihrem Tageskleid genäht. Sein Blick streichelte über ihre zierliche Tail e hinauf zu den sanften Rundungen unter ihrem Mieder, blieb endlich an ihrem Mund hängen, und das Verlangen, sie zu küssen, trieb ihm das Blut ins Gesicht. »Guten Morgen, mein Liebling«, flüsterte er.
»Komm, Sportsfreund, lass sehen, wer von uns ein richtiger Mann ist«, rief Andrew nach dem Frühstück und schlug seinem Gastgeber auf die Schulter. Lärmend und unter viel Gelächter schritten die Herren darauf in den Hof und maßen sich in allerlei Kampfspielen. Speerwerfen, Steinwurf, Gewichtheben - Johann gewann in allen Kategorien, und Catherine glühte vor Stolz.
Da sie bei diesen Aktivitäten nicht mithalten konnte, wanderte sie mit Lil y durch den Gemüsegarten. Die Sonne strahlte aus einem porzellanblauen Himmel, in den scharlachroten Krön- chen der Kafflrbäume flirrten schil ernde Honigvögel. Inqaba
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