1 - Schatten im Wasser
meisten Zulus sind, wenn es Ärger gibt. Woanders.«
*
Als Lil y und Andrew Sinclair mit ihren Begleitern wieder vom Hof ritten, schien es Catherine, dass der Himmel düsterer wurde und das Licht kälter.
Es würde noch dauern, ehe Johann die Rinder ausgesucht und zusammengetrieben hatte, die er zur Auktion bringen wollte. So träumte sie von den Dingen, die sie in Durban unternehmen würde. Anregung dazu gaben ihr die beiden Ausgaben des »Durban Chronicle«, in die Konstantin die Schuhe eingewickelt hatte. Sie las sie so oft, bis sie den Text aus-wendig konnte, während sie dabei ihre magere Garderobe in Ordnung brachte. Lil y hatte ihr glücklicherweise das Nähzeug dagelassen. Auch Papier, um ihr Tagebuch weiterzuführen, hatte sie wieder. Die Ränder der Zeitungen, sorgfältig abgetrennt, ergaben fast drei Seiten. Ein ungeheurer Luxus. Ihr Tagebuch war längst voll, jeder Fetzen geeignetes Material beschrieben, und schließlich war sie dazu übergegangen, getrocknete Bana-572
nenblätter als Papier zu benutzen, doch die Farbe ihrer selbst gemachten Aschetinte war zu schwach, um darauf noch lesbar zu sein.
»Du kannst auch statt der Bananenblätter den dünnen Teil eines getrockneten Elefantenohres nehmen«, hatte ihr der Schlangenfänger vorgeschlagen. »Walkt man es kräftig, wird es ähnlich wie steifes Pergament. Ich habe dir eins mitgebracht.«
Doch als sie das Paket auswickelte, entrollte sich ein frisch abgeschnittenes, blutiges Ohr, das fast die gesamte Tischoberfläche bedeckte. Mit unbewegter Miene bedankte sie sich und warf es später Helene, der Hyäne, zum Fraß vor.
Sie hielt ihre Eintragungen kurz und beschrieb ihre Erlebnisse nur in Stichworten, um Platz zu sparen. Endlich konnte sie ihre Gedanken entwirren und sie geordnet niederschreiben. Die Randstreifen der ersten zwei Zeitungen waren schnell mit ihrer feinen Handschrift bedeckt.
Nachdem sie kurz Lil ys Besuch beschrieben hatte, tunkte sie ihren Federkiel erneut ins Tintenfass. »Habe die Schuhe wieder in die Zeitung gewickelt und Milas Verwalter mitgegeben. Brannten mir wie glühende Kohlen in den Händen«, schrieb sie. Sie hatte Konstantin auch seine Karte zurückgesandt. Ohne Gruß. Das würde am deutlichsten und wirkungsvollsten sein, davon war sie überzeugt.
Zufrieden klappte sie das Tagebuch zu.
*
Fünfündvierzig Rinder hatte Johann nach und nach ins Viehgatter unweit des Hauses gesperrt. Es waren fette Rinder mit glänzendem Fell. »Sie werden eine ordentliche Stange Geld bringen«, sagte er ihr abends. »In ein paar Tagen geht's los. Für heute habe ich genug. Ich bin todmüde.« Mit Sicelo hatte er stundenlang daran gearbeitet, sein größtes Wasserfass abzudichten und zu füllen. Sechs Männer wurden benötigt, um das Fass in die Halterung unter dem Planwagen zu hieven.
»Ich werde eine Rinderkeule braten und Eier kochen. Wir können ein paar Hühner für unterwegs mitnehmen und schlach 573
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ten, wenn wir sie brauchen. Haben wir Milch, damit ich Butter schlagen kann?«, sagte sie.
Sie bekam keine Antwort. Johann schlief wie ein Stein. Gähnend schmiegte sie sich an seine Schulter und schloss die Augen. Im Unterbewusstsein hörte sie ein kurzes, hohes Jaulen, Rascheln und weiche Schritte, als liefe ein Tier auf sanften Pfoten den Gang hinunter. Aber das konnte ja nicht sein. Beruhigt glitt auch sie in den Schlaf.
»Das Merkwürdige war, dass sie keinen Laut machten. Wie haben sie das nur fertig gebracht?«, sagte sie zu Johann, als sie die Bescherung am nächsten Morgen entdeckten. Die Rinder waren verschwunden, der Palisadenzaun des Gatters zeigte eine Lücke, die groß genug war, dass eine Kuh bequem hindurchpasste, und die fünf Zulus, die auf die Rinder aufpassen sollten, lagen wie im Vollrausch dahingestreckt. Sie drückte den kleinen Hund, der ihr heute früh aus der Küche entgegengelaufen war, fest an sich. Noch wusste sie nicht, wie er dorthin gekommen war; sie hatte die kurze Störung vor dem Einschlafen vergessen.
Johann wirkte wie einer, dem man mit der Keule eins übergezogen hat.
»Sie legen ihnen die Hand über die Nüstern«, murmelte er. »Das war Khayi, ich spür's. Ich werde ihn mit meinen eigenen Händen erwürgen, wenn ich seiner habhaft werde.«
»Was ist mit den Männern los, es scheint mir, dass sie betrunken sind.«
Mit dem Hund im Arm beugte sie sich über einen der Schwarzen, der sie benommen anstierte und sich dann erbrach. Angeekelt kräuselte sie die Nase. »Ich kann kein Bier
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