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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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konnte man am Horizont das Meer glitzern sehen. Wie weit war das entfernt?
    Einen Tag? Weniger? Mehr? Ihr Vater hatte es ihr mit einer komplizierten Formel zu erklären versucht, aber sie hatte nicht genau hingehört.
    Sie sah es vor sich, das Gold, das im weißen Dünensand glitzerte, die funkelnden Edelsteine, und Jagdfieber packte sie. Bevor sie wusste, was sie tat, war sie schon bei Caligula, hatte ihn gesattelt und wollte sich eben auf seinen Rücken schwingen, als ihr wieder dieser Würgereiz in die Kehle stieg. Sie konnte gerade noch ihren Fuß aus dem Steigbügel lösen, bevor sie sich neben dem Pferd übergeben musste.
    Die kräftige Frau mit der hochmütigen Miene und der sehr dunklen Haut, die im Schatten von Jikijikis Hütte stand, zog sich zufrieden lächelnd zurück. Fast jeden Tag hatte sie hier gestanden und auf diesen Moment gewartet. Jetzt machte sie sich auf den Heimweg. Es gab jemanden, der auf die Nachricht, die sie ihm bringen würde, schon lange wartete.
    Catherine bemerkte von alledem nichts. Frustriert lief sie ins Haus, um sich den Mund auszuspülen, trank ein Glas Wasser und beschloss, den morgigen Tag abzuwarten, bis diese Übelkeit sich gelegt hatte. Ein Ritt durch den Busch war anstrengend, und musste man sich ständig übergeben, kaum zu bewältigen.
    Als Johann am frühen Nachmittag auf den Hof ritt, lief sie ihm mit fliegenden Röcken entgegen und sprudelte ihren Plan heraus. »Du hast die Ringe gefunden, der Rest des Schmucks und des Goldes muss irgendwo da draußen liegen. Bitte lass uns danach suchen. Pierre hat ein Pferd und ist durchaus imstande, für zwei Tage die Farm allein zu bewirtschaften, und länger wird es nicht dauern.«
    Ihre Hand lag auf seinem Schenkel, vertraut, warm, erregend. Er umschloss sie und blickte hinunter in ihr blühendes Gesicht, 601
    verlor sich in diesen Augen, die ihn so an die Kornblumen seiner Heimat erinnerten, roch den nussigen Duft ihrer Haut und stürzte kopfüber in den heißen Strudel seines Verlangens.
    »Johann?«, fragte sie und lächelte, unsicher, weil er nicht antwortete.
    Sie schüttelte ihr Haar über die Schulter, eine Bewegung so graziös wie die einer Ballerina.
    Mit einem Satz sprang er vom Pferd, schwang sie in seine Arme, und seine Lippen fest auf ihre gepresst, trug er sie ins Haus. Sie liebten sich, ganz verrucht mitten am Nachmittag, zwei himmlische Stunden lang, die heißen Strahlen der Sonne auf ihrer nackten Haut und das zärtliche Gurren der Tauben in den Ohren.
    »Nun«, girrte sie später. »Du hast mir meine Frage noch nicht beantwortet, jedenfalls nicht mit Worten. Kannst du dich zwei Tage freimachen?«
    Sie brachen vor Sonnenaufgang am nächsten Tag auf. Als Proviant verstauten sie Kaffeepulver, eine Schweinskeule, ein paar gekochte Eier, Bananen und zwei Brote in ihren Satteltaschen. Catherine drückte ihren Straußenfederhut auf den Kopf, und sie ritten in den klaren Frühsommermorgen, orientierten sich am Sonnenstand und lenkten die Pferde nach Osten dem Meer entgegen. Draußen auf dem freien Feld wehte ein kräftiger Wind. Sie folgten einem breiten Wildpfad, der ihnen ein flottes Tempo erlaubte. Die Straußenfeder flatterte, hoch über ihnen jubilierte eine Lerche. Noch erlaubten sie sich nicht zu träumen, was sie entdecken könnten oder wie ein solcher Fund ihr Leben verändern würde, aber ihr Herz schlug schneller, und eine ungewohnte Energie trieb sie vorwärts.
    Die Sonne stieg, und der Horizont kam nicht näher. Auch von der höchsten Hügelkuppe schien der schmale, glitzernde Wasserstreifen, der die Welt im Osten begrenzte, noch genauso weit weg wie vor Stunden. Die Schatten wurden kürzer und schärfer und sagten ihnen, dass der Mittag nahte. »Lass uns rasten«, bat sie. »Ich habe einen Löwenhunger.«
    Sie banden die Pferde an einen Baum und packten ihre Wegzehrung aus. Johann kletterte den Hang hinunter zu einem 602
    Bach, der zu einem Rinnsal eingetrocknet war, und füllte ihre Wasserflaschen. »Es wird ein heißer Sommer werden mit vielen Mücken«, berichtete er. »In den Pfützen wimmelt es von ihren Larven.« Er entfernte einige aus seinem Topf und schnippte sie weg, ehe er zwei Löffel Kaffeepulver mit Wasser aufkochte.
    Der Tag war unerwartet heiß geworden, und sie dehnten ihre Rast bis in den Nachmittag aus. Der Schweiß lief ihnen in Strömen herunter. Immer wieder stieg Johann ab, um ihre Hemden in einem der zahlreichen Bachläufe, die Zululand wie Adern durchziehen, nass zu machen, um

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