1 - Schatten im Wasser
ein Vorurteil gegen Männer, die Vollbärte trugen. Sie war überzeugt, dass sie als Maske für ihre Träger dienten, hinter der sie ihr wahres Ich verbergen konnten, und das war ihr unheimlich.
Le Vieux blieb, und bald konnte sie sich ihren Al tag ohne ihn nicht mehr vorstellen. Er einigte sich mit Johann auf ein monatliches Entgelt und wurde für ihn so unersetzlich wie für Catherine. Sein Wissen war schier unerschöpflich. Ob es um das verletzte Gelenk von Johanns bestem Bullen ging oder die Konstruktion für einen Ofen im Kochhaus, er wusste eine Lösung. Catherine brachte er bei, die leckerste Quiche zu backen, die sie je geschmeckt hatte.
»Woher soll ich denn Käse nehmen?«, klagte sie.
Er zeigte ihr, wie man Käse ansetzte.
Zusammen mit Johann ritt er hinüber zu Mila Arnims Farm und kaufte ihr eine junge Stute ab.
»Pieter hatte erst begonnen sie zuzureiten, bevor ihn der Büffel erwischt hat«, gab Mila zu bedenken, aber Le Vieux winkte ab.
»Ich werde mich schon mit ihr vertragen«, schmunzelte er und blies ihr in die Nüstern. Die Stute wieherte eine leise Ant 594
wort und fraß die Karotte, die er aus der Tasche zog. Von nun an ritten Johann und er morgens gemeinsam über die Felder. Napoleon begleitete sie manchmal, doch meistens ließ ihn Pierre als Schutz für Catherine zurück. Zu Johanns Beruhigung heftete sich der große Hund fest an ihre Fersen und gehorchte ihr aufs Wort.
Abseits vom Haus, wo eine flache, runde Felsnase aus dem Hang wuchs, die im Halbkreis mit dichtem Busch bewachsen war, baute Pierre mit Johanns Erlaubnis seine erste Behausung, eine Bienenkorbhütte. Dann schleppte er Eimer für Eimer Lehmerde heran, formte Bausteine und ließ sie von der Sonne trocknen. Sobald sie durchgetrocknet waren, legte er den Grundstein zu einem winzigen Haus.
Als die erste Hausmauer zu wachsen begann, sah sich Johann mit einem Problem konfrontiert, das er nicht erwartet hatte. Sicelo war eifersüchtig. Nachdem klar wurde, dass der Franzose bleiben würde, stakste der Zulu tagelang beleidigt herum, verfolgte seine Bautätigkeit mit Blicken, die sengender waren als schwelende Kohlen, und schließlich verschwand er für eine Woche. Als er wieder auftauchte, hatte er ein zugeschwollenes Auge und frische Wunden am Kopf. Wortlos, mit hochgezogenen Schultern, marschierte er über den Hof.
Johann hielt ihn auf. »Wo zum Teufel bist du gewesen?«, knurrte er.
Sicelo warf ihm nur ein Wort vor die Füße und stolzierte zu seiner Hütte.
»Man glaubt es nicht«, regte sich Johann beim Abendessen auf. »Er hat halb Zululand zu Stockkämpfen herausgefordert. Mzilikazi berichtete mir, dass er sich mit den Meistern gemessen hat.«
»In welcher Verfassung sind die? Sicelo muss ziemlich gut sein, wenn er noch laufen kann«, bemerkte Pierre. »Die Kampfstöcke der Zulus sind tödliche Waffen für den, der damit umgehen kann.«
Johann schnaubte. »Laut Mzilikazi haben die Inyangas alle Hände voll zu tun, ihre Helden wieder zusammenzuflicken.«
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Am Ende hatte er die rettende Eingebung. Nach dem Essen schlenderte er hinüber zu Sicelos Bienenkorbhütte. »Ich möchte meinen Freund Sicelo sprechen. Ist der anwesend?«, rief er und wartete geduldig, bis sich die Kuhhaut vor dem Eingang hob und sein schwarzer Freund erschien.
»Wer wil ihn sprechen?«, fragte er. Sein gesundes Auge blickte abweisend, seine Mundwinkel waren heruntergezogen.
»Der Mann, dessen Leben er vor den Klauen des Löwen gerettet hat.«
Sicelo schlug die Kuhhaut zurück, und Johann kroch hinein. In einem Steinring in der Mitte flackerte ein Feuer und erhellte die Hütte gespenstisch, ließ ihre Schatten wie schwarze Riesen über die geflochtenen Wände tanzen. Sie setzten sich mit gekreuzten Beinen gegenüber auf den Boden. Der Zulu blickte ihn an, und Johann sah, welcher Schmerz in ihm wühlte. Schweigend nahm er den Ukhamba, den tönernen Biertopf entgegen, den ihm Sicelo reichte, trank ein paar Schlucke und gab ihn zurück. Das Getränk war bitter und lauwarm. Er wischte sich den Mund.
»Dem Mann, der mein Freund seit vielen Sommern ist und es bleiben wird, bis er zu seinen Ahnen geht«, begann er, »dem Mann gab ich Land, damit er sein Haus für sich und seine Familie bauen kann.« Er machte eine Pause und schaute unter dem hochgeschlagenen Rindshautvorhang nach draußen zu den Hügeln in der Ferne. Dann suchte er Sicelos Blick und hielt ihn fest. »Dem Mann, der mir hilft, die Farm zu führen, dem zahle ich Geld.«
Sicelo
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