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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Widerstandskraft mehr. Sie legten ihre Waffen nieder. Was folgte, war ein Blutbad, dessen Beschreibung Catherine heftigst würgend in die Küche jagte, wo sie sich erbrechen musste. Schweiß gebadet las sie danach weiter.
    Den beiden Frauen waren die Kleider vom Leib gerissen worden, ihr Schmuck war dabei unbeachtet in den Sand gefallen, denn die Schwarzen hatten es auf Waffen und Kleidung abgesehen, konnten mit den Kleinodien offenbar nichts anfangen. Die Aristokratin warf sich, nackt wie sie war, auf den Boden und kratzte in fieberhafter Hast ein Loch in die sandige Erde, in dem sie sich bis zur Tail e begrub. Ihr Mann, der sich schwer verwundet in den Busch geschleppt hatte, um Essbares für seine Familie zu suchen, fand sie bei seiner Rückkehr tot. Sie war verhungert, und mit ihr, die Finger ihrer Mutter im Mund, aus denen sie offenbar Milch zu saugen versucht hatten, auch ihre kleinen Söhne.
    Durch einen Tränenschleier las Catherine, wie Dom Alvaro seine Frau und die beiden Jungen mit bloßen Händen begrub und darauf im Busch verschwand. Niemand hatte ihn offenbar je wieder gesehen. Nur zwei Sklaven hatten am Ende überlebt, um die Geschichte zu erzählen. Als diese, zu Skeletten abgemagert, Monate später in Louren^o Marques auftauchten, wussten sie nur zu berichten, dass der Schmuck der Donna Leonora seit dem Massaker verschwunden war und der Dom, kurz bevor er seine Waffen niederlegte, die verbleibenden Säcke mit Gold irgendwo im Busch versteckt hatte. Obwohl man sie intensiv befragte, konnten sie sich nicht genau an den Ort erinnern, an dem die Schwarzen über sie hergefallen waren.
    »Weit südlich von hier, in der Nähe eines Sees, irgendwo entlang der Küste.« So wurde ihre Antwort überliefert. Mehrere Expeditionen waren sofort aufgebrochen, doch niemandem gelang es, den Schatz der de Vila Flors aufzuspüren. Mehr als sechzig Jahre später, so berichtete der Chronist, fanden portugiesische Händler bei einem alten Eingeborenenhäuptling mehrere juwelenbesetzte Ringe. Die eingravierten Anfangsbuchstaben belegten ohne Zweifel, dass sie einmal Alvaro de Vila Flor gehört
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    hatten. Wohl wissend, welche Reichtümer er mit seinem Schiff befördert hatte, durchwühlten die Händler voller Gier die Umgebung und versuchten mit List und Tücke, den Schwarzen Informationen über den Verbleib dieser Schätze zu entlocken. Vergebens. Johann Steinachs Fund der Ringe und des Goldes war der erste eindeutige Hinweis darauf.
    Catherine blätterte durch die Seiten, suchte einen Anhaltspunkt, was aus der Tochter, Donna Elena, geworden war. Doch sie fand keinen. Sie legte das Buch nieder, ging ins Schlafzimmer, hob den Deckel ihrer Bücherkiste und studierte die Karte, die sie vor Monaten auf die Innenseite gemalt hatte.
    Wohin wäre sie geflohen, wäre sie an Elenas Stelle gewesen? Ihr Finger wanderte die Küste entlang. Sie kannte die Gegend nicht, aber Johanns Erzählungen hatten ihr einen guten Eindruck vermittelt. Auf den freien Stellen des Deckels machte sie einige Notizen. Busch, sandige Dünen, landeinwärts gelegentlich felsige Auswüchse, Flüsse und Bäche. So hatte er die Landschaft beschrieben.
    Elena war kopflos in die Wildnis geflohen, irgendwohin, nur weg von diesen blutrünstigen Eingeborenen. Frustriert stand Catherine auf. Mit Logik kam sie hier nicht weiter. Sie musste Donna Leonoras Grab und das ihrer Söhne finden. Dann hatte sie einen Ausgangspunkt. Sie zog ihr Buch heran und schlug die erste Seite auf.
    »Sie segelten von Goa und hatten Mil ionen in Gold und Edelsteinen geladen, mehr als irgendein anderes Schiff vor ihnen seit der Entdeckung Indiens«, las sie halblaut, und dabei lief ihr ein Schauer über den Rücken.
    Langsam klappte sie das Buch zu und schaute übers Tal. Eine Schatzsuche. Wie im Märchen. Sie schnaubte verächtlich und dachte an die Juwelen der Sonne, von denen sie als kleines Mädchen geträumt hatte.
    Ein Kind durfte träumen, aber jetzt war sie erwachsen und hatte gelernt, dass Träume Hirngespinste waren, die im grauen Licht der Wirklichkeit zerrissen.
    Sacht fuhr sie mit dem Zeigefinger die Ziselierung auf ihrem Ehering nach. Aber vielleicht war es doch kein Traum? Der Ring 600
    und die verformten Goldmünzen waren der beste Beweis dafür, dass dieser Schatz existierte. Landeinwärts, aber in der Nähe des Meeres, also nicht zu weit von Inqaba entfernt. Geblendet blinzelte sie in die Morgensonne. Wie lange müsste sie wohl reiten? Vom Hügel oberhalb des Staudamms

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