1 - Schatten im Wasser
Rücken durch und ging in die Küche. Die Küchentür stand offen, die Sonne schien, Nofretete räkelte sich auf dem warmen Steinboden, Romeo fing Fliegen.
Gedankenversunken zerdrückte sie das aromatische Fleisch einer Mango, schüttete Zucker darüber und stellte es beiseite. Für einen Augenblick lehnte sie am Tisch und dachte an ihr Kind und daran, dass sie von jetzt an nie wieder einsam sein würde. Al einsein, das war nicht schlimm. Es war vorübergehend, man war eingehüllt in die eigene, vertraute Gesellschaft,
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bis der andere wiederkam. Einsamkeit war etwas Kaltes, Dürres, etwas, das schmerzte wie ein Messerschnitt und einen frieren ließ, das Türen zur Dunkelheit öffnete und bodenlose Löcher aufriss.
Sie halbierte eine Passionsfrucht, deren lila-grüne, harte Haut schon die ersten Druckstellen von Reife zeigten, und mischte das duftende Gelee mit den schwarzäugigen Kernen ins Mango- mus, während ihr Gedankenfluss von einem Erinnerungsstein zum anderen hüpfte, über die Jahre zurück, bis in die Zeit, als erst ihre Mutter sie allein gelassen hatte und dann Grandpere. Da war dieser kalte Schmerz zum ersten Mal aufgetreten, und seitdem war er nie wirklich verschwunden. Jeder Tod in ihrem Leben hatte ihn wieder aufflammen lassen, zuletzt der ihres Vaters.
Sie schob den ersten Löffel der süßen Fruchtmischung in den Mund. Ein breiter Streifen Sonne fiel schräg durch die offene Tür, Nofretete sprang auf lautlosen Pfoten auf den Tisch und rieb ihr Köpfchen an ihrem Arm. Sie lehnte sich in den Türrahmen und blickte über das Land. Die Sonne stand im Zenith, und Johann musste gleich vom Feld zurückkehren. Mit einem tiefen Gefühl von Frieden berührte sie ihren sanft gerundeten Bauch. Bald waren sie eine Familie, und ihre Wärme würde sie für immer vor der Eiseskälte der Einsamkeit schützen.
Nachdem sie ihr Fruchtmus gegessen hatte, stellte sie den Teller neben die Abwaschschüssel, nahm Nofretete hoch und ging hinaus, um wie jeden Tag nachzusehen, ob ihre Bougainvil ea- stecklinge endlich Blüten getrieben hatten. Die jungen Pflanzen waren offenbar gut angewachsen, denn schon vor Tagen hatte sie bereits grüne Triebe entdeckt. Zu ihrem Entsetzen lagen die Stecklinge auf dem Topfrand, die zarten, frischen Wurzeln waren abgerissen, die Blättchen verwelkt. Sie ließ ihre Katze fallen, die aufjaulend über das Geländer sprang und sich unter den Amatungulus versteckte. Aufgebracht rauschte sie in die Küche, wo Jabisa mit trägen Bewegungen das Frühstücksgeschirr spülte. »Hast du meine Blumen zerstört?«, fragte sie, über die Maßen wütend. »Rede!«
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In diesem Augenblick kam Johann von den Feldern zurück und stieg vom Pferd. Bellend fegte ihm Romeo entgegen. »Du siehst aufgeregt aus, Liebling.« Er küsste sie herzhaft. »Was ist passiert?«
»Sieh dir das nur an!« Sie zeigte ihm die verdorrten Stecklinge.
Stirnrunzelnd betrachtete er den Schaden. »Kann es Nofretete gewesen sein oder Romeo?«
»Keine Katze und sicherlich kein Hund kann sie so säuberlich auf den Topfrand legen«, sagte sie heftig. »Jemand hat sie herausgerissen.«
Er musste ihr Recht geben. »Hast du Jabisa gefragt?«
»Ach, die sagt natürlich, dass sie es nicht war und auch nichts darüber weiß.«
»Sie wird Angst haben, es zuzugeben. Frag sie noch einmal.« Damit ging er ins Haus.
Unschlüssig drehte sie die Stecklinge in der Hand. Das Erdreich im Topf war wieder festgedrückt worden. Mit der Hand schaufelte sie es zur Seite und stieß zu ihrem Erstaunen auf etwas Feuchtes in Faustgröße. Von einer plötzlichen bösen Vorahnung befallen, grub sie es hastig aus.
Das tote Äffchen, das zusammen mit den anderen Spirituspräparaten gestohlen worden war, lag auf ihrer Handfläche. Da es nicht mehr vom Spiritus konserviert wurde, war die Verwesung bereits fortgeschritten.
Maden wimmelten durch sein gelbliches Fleisch, es stank zum Gotterbarmen. Catherine starrte die Überreste des in Fötushaltung gekrümmten Tiers schreckensgelähmt an, sah plötzlich nicht mehr das tote Äffchen. Es verwandelte sich vor ihren Augen in ein Menschenkind, ein winziges, halb verwestes Menschenkind. In ihrem Unterleib ballte sich eine Riesenfaust zusammen. Vor Schmerz krümmte sie sich vornüber.
»Nicht mein Baby, nicht das«, wimmerte sie.
Ein Geräusch drang durch ihren Schock, kein Lachen, aber etwas wie ein flaches, zufriedenes Glucksen. Sie fuhr herum. Zogile lehnte im Schatten des Kochhauses und beobachtete
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