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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Brösel zwischen Daumen und Zeigefinger, roch daran, tupfte etwas mit der Zunge auf und schmeckte.
    »Es scheint eine Art Wermutkraut zu sein, und das kannten schon die alten Griechen.« Er lächelte. »Wil st du Absinth brauen? Die französischen Soldaten bekommen ihn offiziell, um Fieber und Durchfall vorzubeugen.
    Al erdings wird man davon auch ein wenig merkwürdig im Kopf.«
    Ihr Herz begann zu klopfen. Wermutkraut. Jetzt hatte das geheimnisvolle Fieberkraut einen Namen. Sie kochte Kamil e, Minze und von der wilden Weide die saftige Rinde, weiche Zweigspitzen und junge Blätter in wenig Wasser auf und mischte alles aufs Sorgfältigste mit dem getrockneten Wermutkraut. Zum Abkühlen und Trocknen strich sie die dicke Masse auf Teller und stellte sie in die Sonne. Danach schrieb sie die Rezeptur sofort auf. Die Fasern des getrockneten Produkts klebten zusammen, sodass sie es leicht in Würfel schneiden konnte. Abschätzend wog sie einen auf der Hand. In etwa musste er einem Löffel des Breis entsprechen. Sie schüttete die Würfel in einen Leinenbeutel, sattelte Caligula und machte sich auf den Weg zu Sicelo. Ob sie in seinem Umuzi wil kommen sein würde, wusste sie nicht. Aber er war krank und hatte ihr mehr als einmal geholfen. Es war das Mindeste, ihm ihre Hilfe anzubieten.
    »Fuß, Napoleon«, rief sie, und der große Hund sprang begeistert neben ihr her. Sie fühlte sich sicherer mit ihm, aber zu ihrem Leidwesen hatte er die gefährliche Angewohnheit, sich mit jedem Tier anzulegen, sei es ein Pil endreher oder ein Nashorn. Der Instinkt, wann es an der Zeit war, das Feld zu räumen, ging ihm völlig ab.
    Der Empfang, den ihr Sicelos Frau Notemba, ein junges Mädchen mit seelenvollen Gazellenaugen, bereitete, entsprach voll 619
    kommen der Gastfreundlichkeit der Zulus. Sie gewährte der Weißen schüchtern, doch mit allen Anzeichen ihrer Ehrerbietung Einlass und eilte voraus, um sie dem Kranken anzukündigen. Catherine duckte sich unter dem Rindshautvorhang hindurch in die dunkle, verräucherte Hütte. Sicelo lag unter mehreren Tierfellen, fror aber trotz der siedenden Hitze. Sein dunkles Gesicht war schweißbedeckt, die Augen lagen tief in den Höhlen.
    Sie ging vor seinem Lager in die Hocke. »Sawubona, Sicelo.«
    Seine Antwort kam leise und schwach. »Nkosikasi. Wil kommen in meinem Umuzi.«
    Gelegentlich nach Worten suchend, erklärte sie ihm auf Zulu, was sie mitgebracht hatte. Sie fand heraus, dass er das Drei-Tage- Fieber hatte, und war erleichtert. Seine Erkrankung war ganz offensichtlich nicht so schwer, wie die Johanns gewesen war. Insgeheim schrieb sie dessen Heilung weniger ihrer Heilkunst als seiner außerordentlich robusten Konstitution zu; sie konnte nicht glauben, dass die Wirkung nur auf der überhöhten Dosis ihrer Medizin beruhte. Behutsam untersuchte sie einen zu Nussgröße angeschwollenen Insektenstich auf Sicelos Arm, der stark eiterte.
    »Eine weiße Inyanga«, lächelte Johanns schwarzer Freund matt und spülte einen der Krautwürfel wil ig mit Wasser hinunter.
    Sie erklärte ihm, etwas schüchtern, denn schließlich war er in gewisser Weise ihr Lehrer, dass er dieselbe Menge morgens und abends zu sich nehmen sollte. Zum Abschied reichte ihr seine junge Frau mit beiden Händen, wie es die strenge Sitte forderte, um zu zeigen, dass sie keine Waffe versteckte, einen Krug mit Amasi, der Dickmilch. Catherine war sich bewusst, dass es ein ungewöhnliches Geschenk war, denn obwohl die Zulus sonst ihr Essen freudig mit Gästen teilten, war Dickmilch nur den Familienmitgliedern vorbehalten. Sie dankte Sicelos Frau artig und machte sich zu Dan auf.
    Vor Dans Höhle stieg sie ab und band Caligula fest. Die Sonne glühte, ihre Haut zog da, wo sie ungeschützt war, Blasen, und die aufgeheizte Erde brannte durch die dünnen Sohlen ihrer
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    Schuhe. Das Eichentor der Höhle stand offen, sie klopfte und wollte eintreten, als sie eine schwache Stimme hörte, die sie erst gar nicht lokalisieren konnte.
    »Hier bin ich, Catherine, hinter dir.«
    Sie drehte sich um, und dann sah sie ihn. Das heißt, sie sah seinen Hut etwa einen Fuß über dem Boden schweben. Sie hob ihn an und blickte in Dans schweißüberströmtes, hochrotes Gesicht. Sein übriger Körper war im heißen Sand eingegraben, seine Augen, trübe vom Fieberschleier, quollen ihm aus dem Kopf.
    »Dan, um Himmels wil en, was machst du da?«
    Das Sprechen fiel ihm schwer, denn sein Mund war wie mit Sandpapier ausgeschlagen. »So heilen meine

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