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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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unerreichbar, irgendwo im Busch.
    »Im Vorratsraum stehen einige Töpfchen. Ich habe sie beschriftet. Bitte bringe mir den, der mit Blaulilie bezeichnet ist«, ächzte sie, während die nächste Wehe mit einer Riesenfaust ihren Bauch zusammenkrampfte. Mit schweißnassen Händen nahm sie kurz darauf das Töpfchen entgegen, konnte aber den Verschluss aus getrocknetem Rinderdarm nicht öffnen. Sie streckte es Johann hin. »Ich brauche zwei Löffel davon, und das regelmäßig. Mach dir keine Sorgen, ich weiß, was ich tue. Es wird mir die Wehen erleichtern und auch unserem Kind helfen, schnell auf die Welt zu kommen.«
    Aber es half nicht. Den ganzen Tag quälte sie sich, und im Morgengrauen lag sie wachsbleich und schweißüberströmt im Bett. Sie war am Ende ihrer Kräfte, und Johann war so verzweifelt, dass er freudig sein Leben für ihres gegeben hätte. Er kniete vor ihr und hielt ihre Hände, fühlte ihren Herzschlag und zählte ihre Atemzüge.
    »Jontani.« Die Stimme war nur ein Wispern.
    Er wandte sich mit leer geweinten Augen um. Jabisa stand in der Tür.
    »Ich habe meine Mutter mitgebracht. Sie wird Katheni helfen können«, sagte das Mädchen und trat zur Seite. Draußen stand Sicelos Mutter, und Johann schickte ein Dankesgebet zum Himmel, denn von ihr hatte Sicelo seine Kunst gelernt. Sanft legte er Catherines Hände auf die Decke und stand auf.
    »Mandisa, Sawubona«, grüßte er erleichtert und bedeutete ihr, hereinzukommen.
    Die dralle Zulu mit den energischen Bewegungen schob ihn vor die Tür und schloss sie hinter ihm. Johann fand sich mit einer schüchtern auf den Boden starrenden Jabisa im Gang allein. Die Zeit dehnte sich schier ins Unendliche. Er zog seine Uhr hervor, nur um festzustellen, dass erst eine halbe Stunde vergangen war.
    Die Tür öffnete sich. »Jontani.« Mandisas Stimme war befehlsgewohnt.
    »Der Weg des Kindes ist versperrt, und es muss eine Zaubermedizin angewendet werden, sonst wird deine Frau zu
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    den Ahnen gehen. Wünschst du das? Wenn ich die Medizin anwende, wird dein Kind vielleicht sein Leben nie leben können.«
    Johann stand da wie betäubt. Ein Schmerzenslaut, so schwach wie der Ruf eines verletzten Vögelchens kam von Catherine, und er traf seine Entscheidung. »Tu es«, sagte er. »Tu es.« Und möge Gott uns helfen, setzte er schweigend hinzu.
    Mandisa nickte. »Ich brauche glühende Kohlen in einem irdenen Gefäß.
    Jabisa, hamba shesha!«
    Ihre Tochter rannte, um ihren Befehl auszuführen, und kehrte kurz darauf mit einer Tonschale zurück, die Holzkohlenglut enthielt. Ihre Mutter ließ sie in das Zimmer.
    »Bitte«, sagte Johann flehend und wollte ihr folgen, aber Mandisa schloss wieder die Tür und ließ ihn draußen stehen.
    Wie lange er herumgelaufen war, wusste er nicht. Seine Welt bestand nur aus den Grenzen der Veranda. Zweiundzwanzig Schritte bis zum Geländer, Drehung, zweiundzwanzig Schritte zum anderen Geländer. Hin und her. Eine Ewigkeit lang. Über ihm zog ein strahlender Tag auf, aber er stand im Dunkeln.
    Plötzlich riss ihn ein Aufschrei herum. Mit drei Schritten war er an der Tür und riss sie auf. Mandisa stand vor ihm und versperrte ihm mit ihrem massigen Körper den Blick auf das Bett. Im Raum hingen beißende Rauchschwaden, sonst war es stil . Völler Panik schob er die alte Zulu mit einer kraftvollen Armbewegung beiseite. Gleichzeitig erreichte ein Laut sein Ohr, ein Kieksen, fast wie ein Zwitschern, und dann ein Schrei, der energische Schrei eines neugeborenen Kindes. Wie ein Blitz fuhr es ihm durch den Körper, und er stürzte zum Bett.
    Catherine hielt ein strampelndes, blutiges kleines Wesen auf ihrem Bauch und weinte hemmungslos. »Wir haben eine Tochter«, schluchzte sie. »Sieh doch, wir haben eine Tochter.«
    Er fiel vor seiner Frau und seinem Kind auf die Knie, legte mit unendlicher Vorsicht seinen Arm um beide. Seine Tochter schrie lauter.
    »Sie ist hungrig«, flüsterte die junge Mutter, hob ihr durch- schwitztes Nachthemd und legte die Kleine an die Brust. Das sanfte Schmatzen und zufriedene Seufzen seines Kindes waren die schönsten Laute, die Johann in seinem Leben gehört hatte.
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    »Einen Augenblick, Liebling«, flüsterte er nach einer Weile und stand auf. Er ging zu Mandisa, die von der Tür her alles mit angesehen hatte und deren sonst so strenge Miene sich in einem strahlenden Lächeln aufgelöst hatte.
    »Yabonga ghakulu«, sagte er förmlich und fand wie von allein die richtigen Worte. »Dein Ruhm als Retterin der

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