1 - Schatten im Wasser
geschliffene Felsen lagen frei, in der Mitte ragten Zwil ingsfelsen wie Klippen aus dem gelben Grund. Ihre Formation berührte eine tief verschüttete Erinnerung.
»Was ist? Warum halten wir?«, fragte Catherine und trieb Cali- gula neben ihn.
»Ich kenne diese Gegend«, antwortete er langsam. »Hier habe ich, wenn ich mich nicht völlig täusche, den Kerl gefunden, der mir später mein Gold und die Karte gestohlen hat, auf der ich den Fundort markiert hatte.«
»Bist du sicher?«, rief sie, über die Maßen aufgeregt. »Wie weit war es von dem Platz entfernt, wo du es gefunden hast? Bitte versuche dich zu erinnern!«
»Ich kam von da.« Er zeigte nach rechts, in Richtung Südosten.
»Und hier in der Nähe haben wir auch den Goldkäferknopf gefunden!
Stell dir doch nur vor, wir finden den Rest des Schatzes. Al e unsere Sorgen wären vorbei. Wir könnten unser Haus vergrößern, ein Kinderzimmer für Viktoria anbauen, einen Verwalter einstellen, ja sogar ein Haus in Durban kaufen und häufiger dorthin reisen. Es gibt dort jetzt Theateraufführungen, sogar Konzerte, und dauernd werden Feste gefeiert.
Es wäre so wunderbar.« Wie ein fernes strahlendes Licht in der staubigen, hitzeflimmernden Landschaft schwebte dieser Traum vor ihr.
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Sein Gesicht verschloss sich. Es war nicht das Leben, das er sich vorstellte. Nie würde er für längere Zeit Inqaba verlassen können. Fast wünschte er, ihr nie von diesem verwünschten Schatz erzählt zu haben.
»Johann, du könntest ein neues Viehgatter bauen. Du beklagst dich doch schon so lange, dass das von Inqaba nicht einmal eine Hauskatze abhält«, flehte sie. »Wenn wir einen Tag später nach Inqaba zurückkehren, wird es keinen Unterschied machen.« Für einen wilden Moment war sie entschlossen, es auch ohne ihn zu wagen. So nahe war sie ihrem Ziel noch nie gewesen.
»Ein Haus in Durban, natürlich, schön«, sagte er nach kurzem inneren Kampf und wendete seinen Wallach. »Hamba«, befahl er den Zulus und deutete hinunter zum Fluss. Doch je näher er dem Ufer kam, desto mehr löste sich sein Erinnerungsbild auf, zerflossen die Konturen, die er sich eingeprägt hatte. Endlich schüttelte er den Kopf. »Es hat keinen Zweck, ich kann mich nicht mehr genau entsinnen. Lass uns nach Hause reiten.«
»Nur noch bis zur nächsten Ecke, von dort aus wirst du den Fluss überblicken können«, bettelte sie, zupfte dabei Viktorias Tragetuch fürsorglich zurecht und band die Schleife des kleinen Sonnenhuts neu. Sie hatte ihn selbst genäht. »Bestimmt wird dir dann alles wieder einfallen.«
Seinen Widerspruch gar nicht erst abwartend, bohrte sie ihre bloßen Hacken heftig in Caligulas Flanken. Er machte einen Satz, schoss um die Biegung, und dann war vor ihr der Weg plötzlich zu Ende. Caligula wieherte angstvoll, stemmte seine Vorderbeine steif in die Erde, rutschte aber über die Abbruchkante, wo im letzten Jahr Unwetter einen großen Teil des Abhangs weggespült hatten, und stürzte in ein flach auslaufendes Loch, das groß genug war, um einen Ochsenwagen mit vollem Gespann zu verschlucken.
Catherine wurde aus dem Sattel geschleudert und ließ mit einem Aufschrei die Zügel fahren, als sie mit dem Arm auf einem Stein aufschlug.
Durch den Schwung rollte sie unaufhaltsam weiter, bis sie endlich in den weichen Ufersand klatschte und tief einsank. »Hölle und Verdammnis«, schrie sie. »Johann!« Ihrem Schrei antworteten Dutzende unsichtbarer Kreaturen, gelbköp-703
fige Weber stoben davon wie Goldflitter im Wind, ein großes Tier platschte durch die flache Wasserrinne, ein Vogel lachte gellend. »Johann, hierher!«, schrie sie noch einmal.
Er rutschte und fiel mehr den Abhang hinunter, als dass er kontrolliert abstieg, und Viktoria wurde tüchtig durchgeschüttelt. Bis zu den Knien im weichen Sand versinkend, stapfte er zu Catherine und packte sie unter den Achseln. »Hast du dich verletzt?« Besorgt untersuchte er sie.
»Höchstens meinen Stolz«, fauchte sie. »Ich hab die Zügel losgelassen.
Wo ist Caligula? Ist ihm etwas passiert?«
»Nein, scheint alles in Ordnung zu sein. Er hat nur einen Riesenschreck bekommen. Sihayo und die anderen Zulus holen ihn aus dem Loch.« Er sah sich um. Das ausgetrocknete Flussbett war mit unzähligen, runden Steinen übersät. Vor dem steilen, ockergelben Uferhang flatterten bunte Bienenfresser, ihre roten Bäuche blitzten in der Sonne, ein paar Reiher suchten im Uferschlamm nach Fröschen. Krokodile konnte er nicht entdecken.
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