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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Sie hatten sich offenbar in wasserreichere Abschnitte des Flusses zurückgezogen. Ein Urwald aus Palmen, wilden Bananen, dichtem Busch und einigen hohen Bäumen dazwischen wucherte bis zur Abbruchkante. Felsschichten lagen blank, wo Wasser und Wind den roten Sand weggetragen hatten.

    »Da ist eine Höhle, kannst du sie erkennen? Unter dem Felsdach, hinter den Palmwedeln.« Er zeigte auf eine Gruppe niedriger Palmen, deren weit herunterhängende Wedel sich träge im Luftzug bewegten. Mit Schwung zog er Catherine aus dem Schlick hoch. »Es wird spät, wir brauchen ohnehin einen Rastplatz für die Nacht. Ich sage Sihayo Bescheid. Dann können wir in Ruhe die Höhle erforschen.« Er löste das Tuch, das Viktoria hielt, nahm sie auf den Arm und erklomm mit ihr die Böschung. In dem Rinnsal, das von dem Fluss übrig geblieben war, wusch Catherine unterdessen den gröbsten Schlamm aus ihren Hosen. »Hat sich Caligula verletzt?«, rief sie Johann entgegen, als der zurückkehrte.
    »Nein, Gott sei Dank nicht. Sihayo hat ihn abgerieben und beruhigt. Jetzt roden er und die anderen einen Platz, wo wir unser 704
    Nachtlager aufschlagen können. Nun komm, lass uns nachsehen, wohin die Höhle führt.« Er streckte ihr die Hand hin.
    Das Felsdach ragte weit aus der Uferböschung. Johann untersuchte sie.
    »Die Höhle muss bei Hochwasser gut zur Hälfte überflutet sein«, bemerkte er. »Siehst du die dunkleren Schichten im Hang? Bis dahin steigt das Wasser offenbar regelmäßig.« Er zeigte auf eine Stelle, die sechs Fuß über dem Grund lag.
    »Wenn wir nicht gerade eine Dürreperiode haben«, sagte sie trocken.
    »Bis dort ist der Fluss lange nicht mehr gekommen.«
    Der Eingang der Höhle war mannshoch, es roch modrig und nach Verwesung und deutlich nach Rauch. Catherine schob den Vorhang aus Palmwedeln und blühenden Rankpflanzen beiseite und trat zögernd ein.
    »Ich sehe etwas Licht am Ende, da scheint die Decke eingebrochen zu sein oder ein Lichtschacht nach oben zu führen.«
    Schweigend drangen sie tiefer ein, der Höhlenboden stieg langsam an.
    Die Flutgrenze war auch hier an den Wänden deutlich auszumachen. Der Untergrund war lehmig, gelegentlich lag der Fels darunter frei. Al mählich wurde der Rauchgeruch stärker. Catherine hob die Nase. »Ich glaube, da hat jemand ein Feuer gemacht, es scheint noch zu brennen«, wisperte sie und legte den Finger auf die Lippen.
    Eine weit aus der Wand herausstehende Felsnase versperrte ihnen den Blick. Johann hielt sie zurück, bedeutete ihr, dass sie sich hinter ihm halten sollte, und lehnte sich vor. Als ihm klar wurde, was er da sah, sog er zischend die Luft durch die Zähne.
    »Was ist?« Ihre Stimme war ein Hauch. »Lass es mich auch sehen.« Sie drängte sich vor.
    Die Höhle weitete sich dort zu einem Rund von etwa fünfzehn Fuß, im Hintergrund ragte ein Vorsprung aus der Wand, als hätte jemand einen Altar gebaut. Aus der Felskuppel über ihnen tropfte Wasser mit monotoner Stetigkeit, Tageslicht sickerte durch eine schmale Spalte. Im Vordergrund schwelte ein Feuer. Eine schmale, kleine Gestalt hockte davor, umhüllt von einem Gewand aus völlig zerschlissener, goldgelber Seide, an 705
    dessen Oberteil sich noch ein Steckknopf befand. Er glänzte golden, und in der Mitte glühte ein roter Stein.
    »O Gott, Donna Elena«, stöhnte Catherine und griff sich an den Hals.
    »Wohl kaum«, sagte Johann nach einer Schrecksekunde. »Außerdem hatte die keine schwarze Haut.« Er nahm Catherines Hand und ging langsam auf das Feuer zu. Das Wesen reagierte nicht. Es babbelte vor sich hin, heisere kleine Laute, als spräche ein Gnom zu sich selbst. Manchmal kicherte es und tat einen fauchenden Atemzug. Es war ein Geräusch, das Catherine an das Zischen einer Schlange erinnerte. Nun standen sie unmittelbar vor diesem Geschöpf. Sie ging langsam in die Hocke und sah ihm ins Gesicht.
    Sie war nicht mehr fett, ihre Haut war dünn wie braunes Pergament, die Augen waren milchig von Katarakten. Über ihrer Stirn saßen die Reste eines Pythonkopfes, um ihren Hals hing die Kette mit menschlichen Zähnen.
    »Umafütha«, flüsterte Catherine.
    Als die alte Sangoma diese menschliche Stimme hörte, verstummte sie, drehte ihren Kopf und sah die beiden Weißen an. Klingende Wassertropfen fielen in die Stil e, langsam und stetig. Catherine hielt den Atem an, ließ die Augen nicht von Umafütha; sie war sich gar nicht sicher, ob diese überhaupt noch etwas erkennen konnte. Doch dann hob die Alte ihren

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