1 - Schatten im Wasser
verwandt ist, haben ebenfalls Rache geschworen. Sie bieten jeden Mann auf, den sie kriegen können, und Dan bittet auch mich zu kommen.« Hilflos sah er sie an, weiße Furchen liefen von seiner Nase zu
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den Mundwinkeln. »Was soll ich tun? Ich kann doch nicht Nein sagen, Liebling. Jack war einer meiner besten Freunde. Er hätte Himmel und Hölle für uns in Bewegung gesetzt...«
»Es ist gut«, antwortete sie mühsam. »Geh nur. Wenn du wiederkommst, werden wir nach Durban fahren. Diese Zeit überstehe ich auch noch. Lass mir Sihayo hier. Ich komme zurecht.« Mir vertrocknet nur das Herz vor Einsamkeit, setzte sie schweigend hinzu.
Er zog sie in seine Arme und hielt sie fest. »Es wird alles gut werden«, flüsterte er in ihr Haar. »Ich versprech's dir.« Er suchte ihren Mund, und sie ließ es geschehen, dass er sie ins Schlafzimmer trug, doch im letzten Moment drehte sie sich weg.
»Bitte nicht heute, ich bin müde und habe Kopfschmerzen«, flüsterte sie, und mit schwerem Herzen nahm er Rücksicht auf sie.
*
Es wurde die größte Menschenjagd, die Zululand bisher gesehen hatte.
Jeder Mann, der dazu imstande war, machte mit, und Hunderte von Treibern und Fährtenlesern begleiteten sie, und die wiederum wurden von einem Tross ihrer Frauen begleitet, die an den großen Lagerfeuern für alle kochten und auch sonst zu Diensten waren. Die Weißen kamen bestens ausgerüstet, bis hin zu Wein und Kisten mit gutem Cognac. Der Lärm der Jagd hallte durch ganz Zululand.
Onetoe-Jacks schwarze Familie jagte alleine. Die Männer verschwanden lautlos im Busch, bewaffnet mit Assegai und Panga, und setzten sich auf die Fährte der Elfenbeinjäger. In dem mühelosen Trott der Schwarzen, ihren Blick fest vor sich auf die Pfade geheftet, damit ihnen auch nicht der kleinste Hinweis auf die, die sie suchten, entging, liefen sie viele Meilen jeden Tag, bis sie auf eine erkaltete Feuerstelle stießen. Die Fährtenleser begannen in immer weiteren Kreisen den Boden und die Umgebung aufs Genaueste zu untersuchen. Zum Schluss richtete sich der Anführer auf und zeigte nach Osten, dorthin, wo das Meer lag.
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Knapp eine Woche, nachdem Johann Inqaba verlassen hatte, schlug das Wetter um. Nach fast einem Jahr Trockenheit zogen blauschwarze Wolken hinter den Hügeln hoch, Blitze zuckten, Donner rumpelte in immer kürzeren Abständen übers Tal, und Mensch und Natur dankten ihrem Schöpfer für diese Gnade. Catherine stand mit Viktoria im Arm auf der Veranda und sog die feuchte Luft ein. Ein starker Wind war aufgekommen und zerrte an ihren Hosen, blies ihr das Haar um das Gesicht. Sie trug ihre Tochter ins Schlafzimmer und setzte sie zu ihren Spielsachen. Die Kleine krabbelte juchzend über den Boden, griff nach dem Püppchen, das ihr Vater für sie geschnitzt hatte, und steckte es in den Mund. Sie zahnte stark. Jabisa hockte sich zu ihr und ließ die kleine geschnitzte Tierherde aufmarschieren.
Die ersten großen schweren Tropfen fielen, platschten auf die Veranda, gegen die Hauswand, hüpften auf den Blättern der Amatungulubüsche, sammelten sich rasch zu Rinnsalen. Krachende Donnerschläge rollten unablässig über den schwarzen Himmel, Blitze sprangen von Wolke zu Wolke, Sturmstöße fuhren in die Baumkronen, rissen Blätter herunter und wirbelten Äste durch die Luft. Der Regen fegte als dichter Vorhang übers Land, sodass Catherine bald nichts mehr erkennen konnte, sich fühlte, als wäre sie in einem Kokon aus Silberfäden eingehüllt. Das tiefe Orgeln des Sturms drückte auf ihre Ohren, Bäume ächzten und schrien. In Windeseile schloss sie die Türen, ließ die Fenster jedoch offen, um das grandiose Schauspiel beobachten zu können.
Die ausgetrocknete Erde konnte die Massen von Wasser nicht aufnehmen, es schoss über Wege und Wildpfade, die Flüsse stiegen an, wurden zu reißenden Strömen. Sie fraßen ihre Uferzonen, rissen Bäume und Sträucher weg, die nur locker in dem trockenen Sand verwurzelt waren. Der Hang über ihrem Wasserreservoir begann zu rutschen.
Catherine merkte anfanglich nichts, erst als ihre Veranda bebte, rannte sie nach draußen und sah fassungslos zu, wie eine Schlammlawine gegen die Stützpfähle drückte. Der Sturm schrie und heulte, gewann noch immer an Stärke. Als Erstes neigte sich die Mimose neben dem Ge-721
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länder und verschwand in der Erdlawine, die sich über die Amatungulubüsche ins Tal wälzte.
»Sihayo!«, rief Catherine, aber der Wind riss ihr die Worte aus dem Mund, und
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