1 - Schatten im Wasser
blockierten die Tür zum Gang, dazwischen verstreut glänzten einige Goldstücke. Ehe sie sich Gedanken darüber machen konnte, wie ein halber Baum in ihr Wohnzimmer gelangt war, schleuderte eine Bö ihr Regen ins Gesicht, gleichzeitig klatschte etwas hart auf den nassen Boden. Ihr Kopf flog herum, und zu ihrem Entsetzen fand sie sich in Augenhöhe mit einer züngelnden Kobra. Der Aufschrei blieb ihr in der Kehle stecken, sie wagte kaum, zu blinzeln. Erneut ergoss sich ein Wasserschwall über sie. Als sie sich die Nässe aus den Augen gewischt hatte, sie wieder sehen konnte, war die Kobra verschwunden. Aufatmend wollte sie sich aus Öffnung herauswinden, als ihr schlagartig klar wurde, dass das Wasser von der Decke ihres Wohnzimmers gekommen war.
Angstvoll sah sie hoch.
Im Dach klaffte ein Loch, durch das ein Elefant gepasst hätte, aus dem voll gesogenen Ried tropfte Wasser. Glücklicherweise schien ein Baum mit seiner breiten Krone aufs Haus gekippt zu sein und hatte so verhindert, dass der Dachstuhl vom Tornado restlos weggerissen wurde.
Sie zog sich hoch und knickte ein, ihre Beine waren taub geworden.
Heftig massierte sie ihre Waden, das Blut stach wie tausend Nadeln, aber wenigstens konnte sie stehen. Dann hob sie Viktoria heraus. Jabisa lag in eine Ecke gepresst, den Kopf in den Armen versteckt und wimmerte leise vor sich hin. Catherine ließ sie und machte einen Schritt, um durch die aufgewehte Tür auf die Veranda zu gehen. Erst in letzter Sekunde hielt sie sich am Türpfosten fest. Ihre Veranda war nach vorne weggebrochen.
Wäre sie einen Schritt weitergegangen, wäre sie mit Viktoria über die abschüssige Fläche gerutscht und den Abhang hinuntergestürzt.
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Vor Schock zitternd, presste sie die Kleine fest an sich, stieg über das Astgewirr im Wohnraum in die Küche und probierte die Tür zum Kochhaus.
Sie ließ sich vergleichsweise leicht öffnen, doch das Kochhaus gab es nicht mehr. Die zerfetzten Grasmatten hingen in den Bäumen, die gemauerte Feuerstelle allerdings stand noch, und zu ihrer unendlichen Erleichterung sah sie, dass auch die Mauer des Reservoirs gehalten hatte. Vorsichtig kletterte sie über Geröll und einen zersplitterten Baumstamm auf den Hof.
Die Krone eines Kiaatbaums versperrte die Haustür, und ihre Toilette war jetzt wie ihr Zimmer unter freiem Himmel, von den Wänden und dem Dach des Anbaus stand nur noch das Gebälk.
Viktoria in ihrem Arm schrie vor Hunger, und sie trug sie ins Schlafzimmer, dessen Dach noch intakt zu sein schien, setzte sich auf Johanns Seite des Betts - ihre war durch ein Leck durchnässt - und gab ihr die Brust. Dabei überlegte sie, wie sie es bewältigen sollte, in diesem Chaos zu überleben, bis Johann zurückkehrte.
*
Johann hatte das Unwetter in der Ferne aufziehen sehen und war sich im Klaren, dass Inqaba im Zentrum liegen würde. »Ich mache mir Sorgen um Catherine. Sie ist allein auf der Farm, und diese Gewitter nach einer langen Trockenheit können die Hölle sein.«
»Ach was, deine Frau ist außerordentlich tüchtig, und dein Haus ist aus Stein gebaut«, antwortete Dan de Vil iers. Er schlug einen Palmwedel beiseite, der über den Wildpfad hing, hielt seine Augen fest auf die Erde geheftet und atmete dabei stoßweise, wie ein Bluthund, der die Fährte aufgenommen hat. »Mein Spurenleser sagt, dass die Kerle sich dort getrennt haben.« Er zeigte nach vorn, wo sich der Weg gabelte. »Zwei sind im weiten Bogen nach Osten weitergeritten, die anderen hinauf nach Norden. Ich denke, die wollen am Fuß der Lebomboberge entlang zum Limpopo und über die Grenze nach Mocambique, wo sie erst einmal in Sicherheit wären. Mein Gefühl sagt mir, dass die zwei Reiter 725
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der Graf und sein einäugiger Hottentotte waren, und die Richtung, die sie eingeschlagen haben, sagt mir auch, dass vermutlich irgendwo ein Schiff auf sie wartet. Vielleicht die Carina.t
»Das leuchtet ein. Was machen wir also?«, rief Rupert Farring- ton, der hinter ihnen ritt. »Sollen wir uns trennen?«
»Seine Handlanger interessieren mich nicht«, antwortete der Schlangenfanger. »Wir wollen den Grafen und den Hottentotten. Der hat schließlich Onetoe-Jack hinterrücks ermordet.« Er bekreuzigte sich bei diesen Worten.
»Wir sollten ein Menschennetz auswerfen«, fiel Francis Court ein. Die Tage im Busch hatten selbst sein tadelloses Äußeres verändert. Die Reitstiefel waren verdreckt, seine Jacke war zerrissen, und die seidene Krawatte diente ihm als Verband für
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