1 - Schatten im Wasser
wäre ich ganz und gar ungeeignet, und in Deutschland wil ich sicher nicht leben. Nein, nein, ich bin fest entschlossen, hier auf eigenen Beinen zu stehen. Basta.« Das letzte Wort rutschte ihr heraus, und sie musste ein Lächeln unterdrücken. Das Erbe ihres Vaters schlug offenbar durch. Dann berichtete sie von Wilma. »Ich denke, sie wird sich hier um eine Stellung als Gouvernante bewerben, und ich kann ihr ein hervorragendes Zeugnis ausstellen.« Rasch zählte sie Wilmas Vorzüge auf, verschwieg allerdings deren Neigung, zu nörgeln und sich jedem Leiden mit großer Inbrunst hinzugeben. »Vielleicht ist Ihnen jemand in Ihrem Freundeskreis bekannt, der eine Gouvernante sucht?«
Adam Simmons hatte ihr schweigend zugehört. Jetzt spielte ein leichtes Lächeln um seine Mundwinkel. »Ich höre das Echo meines guten Freundes Louis. Wenn er Basta sagte, war nichts mehr auszurichten. Es ist mir jedoch kein Fall bekannt, wo sich eine Frau unseres Standes allein hier niedergelassen hätte. Ich fürchte, es wird in unserer rauen Gesellschaft nicht möglich sein. Sie brauchen hier männlichen Schutz. Außerdem sind Frauen ja nicht geschäftsfähig.«
Damit hatte sie nicht gerechnet. Ihr Herz sank.
137
Elizabeth warf ihrem Mann einen vorwurfsvollen Blick zu. »In wenigen Tagen kehren wir nach Kapstadt zurück«, sagte sie mit einem Lächeln. »Es würde uns eine Freude sein, wenn Sie eine Weile bei uns wohnen würden.«
Adam räusperte sich. »In unserem Haus könnten Sie genügend Herren kennen lernen, die ... nun, die als Ehemann inftage kämen. Ich bin Louis noch etwas schuldig«, setzte er hinzu.
Meinte er etwa, sie müsste heiraten, um hier bleiben zu können? Wollte er sie verkuppeln? Sie biss sich auf die Lippen, damit ihr nicht ein unpassendes Wort herausrutschte; sie dachte nicht daran, so schnell aufzugeben. Kommt Zeit, kommt Rat, hatte Grandpere immer gesagt, wenn sie einmal wieder viel zu ungeduldig gewesen war, und im Nachhinein gab sie ihm Recht. Sie beschloss, ihre wahren Absichten für sich zu behalten.
Also lächelte sie, wenn auch mühsam, und dankte in artigen Worten.
Nachdem ihr die Kinder der Simmons' vorgestellt worden waren, zwei süße Mädchen von sieben und neun Jahren und ein kräftiger Junge, der blond und groß war wie sein Vater und das gleiche gewinnende Lächeln zeigte, ließen die Simmons' sie in ihrem eigenen Zweispänner zurück nach Kapstadt bringen. Die Schatten wurden schon länger, und es war sehr kalt, als sie einstieg. Es war höchste Zeit, sich auf den Heimweg zu machen.
»Sowie wir wieder in Kapstadt sind, werden wir Ihnen unsere Kutsche schicken und Sie mit Ihrem Gepäck abholen. Wir freuen uns. Was Ihre Gesellschafterin anbetrifft, habe ich ein wenig nachgedacht, und mir kam mein Freund Wil em in den Sinn. Er sucht eine Gouvernante für seine Kinder.« Mit diesen Worten klatschte Adam Simmons dem kräftigen Braunen aufs Hinterteil, der Kutscher schnalzte, und sie setzten sich in Bewegung.
Catherine schmiegte sich tief in ihren Umhang, denn die Abendkälte kroch durch alle Ritzen. Während der gesamten Fahrt grübelte sie darüber nach, wie sie ihren Wil en durchsetzen könnte. So schnell würde sie den Traum, ihr Leben nach
ihren Wünschen zu führen, nicht aufgeben.
*
138
Johann stand mit seinem Freund Sicelo an der Pier im Hafen Kapstadts und sah über die Bucht. Die Sonne hing hoch am durchsichtig blauen Himmel, und ein sanfter Wind kündete bereits vom Frühling. Eben war ein großer Segler in die Bucht eingelaufen, die Matrosen turnten in die Wanten und holten die Segel ein. Am Strand schoben ein paar Männer das Ruderboot des Hafenmeisters ins Wasser.
»Wenn alles klappt, soll übernächste Woche unser Schiff kommen, Sicelo, dann geht's nach Hause. Gott, wie ich mich auf Inqaba freue und darauf, endlich diesem Menschengewimmel zu entkommen.«
»Eh«, machte Sicelo als Kommentar.
»Ich muss dir etwas mitteilen, denn es wird auch dich betreffen. Meine Suche nach einer Frau hat ein Ende. Ich werde Fräulein le Roux bitten, mich zu heiraten«, fuhr Johann Steinach mit einem Seitenblick auf seinen langjährigen Weggefahrten und Vertrauten fort.
»Eh?«, macht Sicelo noch einmal und klappte seinen Mund wieder zu.
Nur die Betonung des Wortes war anders.
Johann grinste ihn fröhlich an. »Nun sag schon, meinst du, dass sie die Richtige ist?«
Der baumlange Zulu schob mit einem Finger seine runde Kappe tiefer in die Stirn. »Ist zu dünn, wird nicht arbeiten
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