1 - Schatten im Wasser
Zigarre in einen Mundwinkel, hielt sie mit kräftigen weißen Zähnen fest und grinste. »Nun, meine Liebe, das nenne ich einen gelungenen Abend, nicht wahr? Jeder Mann im Saal liegt Ihnen zu Füßen.«
Er streichelte ihre Wange und sah ihr dabei in die Augen, als wolle er sie so festhalten. Seine Hand glitt über ihren Hals auf ihre Schulter, und bevor sie sich wehren konnte, landete sie auf ihrer Brust. »Catherine«, raunte er heiser. »Komm, nun lass mich schon, zier dich nicht, ich tu dir nichts ...«
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»Finger weg, Mr. Simmons«, zischte sie, schlug ihm hart mit dem Fächer ins Gesicht und entwischte ihm mit einer geschickten Drehung in die Helligkeit des Ballraums.
Beim Frühstück am nächsten Morgen war der Hausherr hölzern und abweisend. Einen Morgengruß brummend, ließ er sich am Tisch nieder, verbeugte sich zwar in die Runde, vermied es aber, sie dabei anzusehen.
Als die schwarze Haushälterin El a ihm Spiegeleier und kleine Bratwürste servierte, schob er den Teller angewidert weg.
»Er hat einen Brummschädel«, vertraute Elizabeth ihrem jungen Gast flüsternd an. »Der Wein hat dieses Jahr sehr viel Sonne bekommen. Er war wohl zu schwer.« Sie lachte viel sagend.
Catherine bedachte Adam Simmons mit einem spöttischen Lächeln. Er wich ihrem Blick geflissentlich aus. »Zu schwerer Wein soll eine verheerende Wirkung haben, sagte man mir. Er löst die Zunge und verwirrt den Kopf und macht Narren aus den Männern.«
Die letzten Worte hatte sie so laut gesprochen, dass ihr Gastgeber sie verstanden haben musste, denn er stieß seinen Stuhl so hart zurück, dass er gegen die Wand krachte. Eine Entschuldigung murmelnd verließ er den Raum.
»Der Arme sieht wirklich mitgenommen aus«, bemerkte Catherine zu Elizabeth.
»Ach, es ist nichts, was ein flotter Ritt nicht heilen würde. Heute Mittag ist er wieder der Alte.«
Catherine sah ihm nach. Waren alle Ehemänner so? Streunten sie hinter jedem Rock her wie liebeskranke Kater? Die Aussicht verdarb ihr die Laune, und sie freute sich auf den Nachmittag. Johann Steinach hatte sie zu einem Spaziergang gebeten, und sie war froh, wenigstens ein paar Stunden in fröhlicherer Gesellschaft verbringen zu können.
»Was wirst du heute unternehmen?«, fragte sie Wilma später, während sie sich vor dem kleinen Wandspiegel mit einem blauen Satinband das Haar im Nacken zusammenband.
»Ich«, Wilma betonte das Wort stark, »ich werde den Kindern unserer Gastgeber etwas vorlesen, Mrs. Simmons hat sich mit 145
starken Kopfschmerzen und Schüttelfrost ins Bett gelegt. Ich furchte, es ist etwas Ernstes, und ich bin dankbar, den Simmons' etwas von ihrer Freundlichkeit zurückzugeben.« Ihr Ton war ein einziger Vorwurf.
Catherine war entzückt. Endlich konnte sie einmal ohne ihren Wachhund ausgehen. »Wunderbar, die Kinder werden sich freuen«, antwortete sie unbekümmert. Sie wusste sehr genau, dass Johann Steinach der Grund für Wilmas Gereiztheit war. Sie setzte ihren Strohhut auf und machte sich wohlgemut auf den Weg. Bevor sie das Haus verließ, trieb sie jedoch das schlechte Gewissen zum Schlafzimmer von Mrs. Simmons.
Doch El a, die schwarze Haushälterin, die ihr damals beim ersten Besuch die Tür geöffnet hatte, saß vor dem Zimmer und verweigerte ihr den Eintritt. »Es geht Madam nicht gut, sie darf keinen Besuch haben«, sagte sie und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
»Bitte grüßen Sie Mrs. Simmons, ich werde mich später noch einmal erkundigen«, bat Catherine bestürzt und war nun nicht mehr so unbekümmert, denn sie mochte Elizabeth Simmons wirklich sehr gern.
Johann Steinach wartete bereits auf sie am Eingang zum Stadtgarten.
»Fräulein le Roux, Sie sehen hinreißend aus. Wo ist die gestrenge Wilma?«
Als Catherine ihm berichtete, dass sie mit den Kindern der Simmons'
beschäftigt war, bot er ihr mit deutlicher Erleichterung seinen Arm, und sie spazierten langsam unter den Bäumen entlang.
»Mrs. Simmons scheint wirklich ernstlich krank zu sein«, sagte sie niedergeschlagen, »und ich befürchte, dass ich zur Last werden könnte.
Wilma wird in wenigen Tagen das Haus verlassen, und ich werde wohl zu den zweifelhaften Kochkünsten Mrs. Halliwells zurückkehren müssen.«
Morgen oder übermorgen würde sie die Zeichenmappe an Sal- vatore Strassberg schicken. Während ein paar schlafloser Stunden war ihr in der Nacht schlagartig klar geworden, dass sie unmöglich die gesamte Zeit, die sie auf die Antwort warten musste, die
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