1 - Schatten im Wasser
können.« Abwesend wanderte sein Blick zum Horizont.
»Unsinn, sie ist eine gesunde junge Frau, natürlich wird sie ihre Pflichten als Hausfrau erfüllen können.« Und Mutter, setzte Johann in Gedanken hinzu. Er sah sich schon von einer fröhlichen Kinderschar begrüßt, wenn er abends von seiner Rinderherde heimkehrte.
Sicelo wiegte seinen Kopf, dachte nach, kratzte sich an der Nase, betrachtete seine nackten Zehen. Tief in Gedanken rieb er sie aneinander.
Endlich fällte er sein Urteil. »Das Gebären von Kindern wird sie umbringen, ihr Becken ist wie das eines Jungen oder eines Mädchens, bevor es blutet.
Nimm dir eine kräftige, junge Zulufrau mit glänzender Haut, fetten Schenkeln und großem Hintern. Sie wird hart für dich arbeiten können und dir
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jedes Jahr ein Kind schenken. Dein Alter wird ein glückliches sein, denn deine vielen Kinder werden königlich für dich sorgen. Das sage ich dir, meinem Freund, ich, der ich ein Zulu bin und bereits selbst eine Frau im Auge habe.«
Johann wartete schweigend. Er wusste, dass Sicelo erst am Beginn seines Vortrages war.
»Ich denke, dass König Mpande dir sogar eine seiner eigenen Töchter geben wird. Bringe ihm so viel Geschenke, wie ein Ochse ziehen kann, bringe ihm Decken, Zucker und Salz, Perlen, die schimmern wie Regentropfen in der Sonne und die seine Frauen so lieben, die Tücher, die die Farben unserer schönsten Vögel haben, und das bittere Gebräu, das ihr Weißen Kaffee nennt. Er liebt Geschenke, und er ist schon dein Verbündeter, weil du seinen Sohn vor einem grausigen Schicksal gerettet hast. Doch nimmst du eine seiner Töchter zur Frau, wirst du zu seiner Familie gehören, der Familie des mächtigen Königs der Zulus. Nach und nach wird er dir noch mehr Frauen geben, die Töchter der großen Häuptlinge, Jikijiki vielleicht, deren Vater sehr bedeutend ist, und dann wirst du selbst ein großer Häuptling sein, ein großes Umuzi haben und für jeden Tag der Woche eine Frau, die bei dir liegen wird. Du wirst viele Kinder zeugen. Ich werde dich beneiden.«
Johann war zutiefst erstaunt, welche Leidenschaft den sonst so schweigsamen Zulu gepackt hatte. Mit einem Lächeln schüttelte er den Kopf. »Wir sind anders, Sicelo, wir Weißen dürfen nur mit einer Frau verheiratet sein. Unser Gott und unsere Gesetze verbieten die Vielweiberei.«
Sicelo schnalzte ungläubig. »Und wer bestellt eure Felder, bringt euch Essen, führt euer Vieh auf die Weiden? Wer sorgt für euch in eurem Alter?
Ihr Weißen seid ein wunderliches Volk!«
Für lange Minuten schwiegen sie gemeinsam. Ein angenehmes Schweigen, ein Schweigen zwischen vertrauten Freunden. Sicelo brach es endlich. »Sag mir, wird diese Frau dir Hlonipha erweisen?«
Sein weißer Freund schmunzelte. »Du meinst, wird sie die Sprache der Ehrerbietung kennen, wird sie mir Respekt erwei-140
sen, das Essen auf Knien servieren? Mir nie in die Augen sehen und nur ja sagen, auch wenn sie nein meint, und nie von mir mit meinem Namen sprechen?« Er lachte. »Das glaube ich kaum. Keine weiße Frau würde das tun, und kein weißer Mann würde das fordern. Es ist nicht Brauch bei uns.«
Der Zulu runzelte ungläubig die Stirn. »Es macht mein Herz schwer wie Stein, das zu hören.« Er seufzte vernehmlich und schüttelte den Kopf.
Dann kam ihm ein Gedanke. »Wenn diese Frau einem Löwen begegnet, wird sie schreien, nicht wahr?«
Johann nickte vorsichtig. Wer würde das nicht? Ihm war nicht klar, worauf sein Freund hinauswollte, doch er kannte seinen verqueren Sinn für Humor.
Sicelo lachte triumphierend. »Der Löwe wird sie hören und sie fressen, und dann kannst du dir Jikijiki zur Frau nehmen«, rief er, riss seinen großen Mund auf und lachte mit schneeweißen Zähnen und funkelnden Augen. Vor Vergnügen über seinen Einfall schlug er sich auf die Schenkel. »Diese Frau, die ein Gesicht wie Maisbrei hat, sie ist so mager wie ein verhungertes Huhn. Wenn du bei ihr liegst, wirst du dich an ihren Knochen stoßen, so spitz sind die. Sag mir doch, Umlungu, weißer Mann, ist sie hübsch für dich, dieses magere Huhn?« Er gluckste vor Freude, hob seine Arme, bog sie zu Flügeln und streckte seinen Hals ruckweise vor. »Gaak, gaak, gaak«, machte er und schüttelte sich vor Lachen.
Johann lehnte sich an einen Holzpfosten und blickte in den Himmel, der ihm weiter erschien, als die Ewigkeit es sein konnte. »Sie ist schön, Sicelo, wunderschön. Ihre Haare ... die Figur ... ihre Augen, sie sind so blau wie
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