Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
hatte Sicelo die Vorzüge der Zulumädchen angepriesen. »Er erwartet uns am Schiff.«
    Kurz darauf setzte sich der Hochzeitszug in Bewegung und hielt bald vor dem großen Haus der Simmons'. Sogar ein kleines Orchester hatte Adam engagiert, und als Catherine zu ihrem ersten Tanz in die Arme ihres Mannes glitt, verspürte sie Zufriedenheit. Es erfüllte sie mit einem gewissen Stolz, festzustellen, dass keiner der anwesenden Männer so gut aussah wie er, kaum einer an seine Größe heranreichte. Sein Anzug war schlicht, aber der Stoff von guter Qualität. Johann Steinach, ihr Mann, machte eine sehr gute Figur.
    Sie legte sich in seinem festen Griff zurück, um ihm ins Gesicht zu sehen. Sein Arm, der ihre Tail e umfasste, war so stark, dass er sie mühelos bei einer Drehung hochhob. Sie ließ ihre linke Hand über die langen, harten Muskeln seiner Oberarme gleiten und fühlte sich sicher bei ihm. Konstantin von Bernitt war eleganter gewesen, geistreicher, seine Unterhaltung mit Witz gewürzt, und er tanzte göttlich. Aber bei einer Begegnung mit einem wütenden Elefantenbullen würde sie eindeutig Johann
    175
    Steinach vorziehen. Sie probierte die Worte aus. »Mein Mann«, flüsterte sie. Der Klang war ihr noch fremd, sie würde sich erst daran gewöhnen müssen.
    Nachdem die Kutsche der Simmons' das Brautpaar nach dem Fest in das Haus in der Long Street gebracht hatte, stand Catherine jetzt, noch immer im vollen Brautstaat, im Schlafzimmer des kleinen Hauses. Während sie im Schein der Kerzen langsam den Kranz aus duftenden Orangenblüten aus ihrem Haar löste, den sie statt einer Brautkrone trug, überfiel sie wie ein Blitz die Gewissheit, dass al es, was sie sich erträumt und erhofft hatte, alle ihre Sehnsüchte und Wünsche, mit ihrem Ja hinfällig geworden waren.
    Das Leben, das sie sich ausgemalt hatte, die Ungebundenheit, nach der sie sich so sehnte, würde sie nicht leben können. In einer einzigen unüberlegten Sekunde, verführt durch eine schil ernde Vision, hatte sie gewählt. Es gab kein Zurück. Auf der Platzkarte ihres Hochzeitstisches hatte nicht Mrs. Catherine Steinach gestanden, sondern Mrs. Johann Steinach. Es hatte sie wie ein Schock getroffen. Für ihre Umwelt hatte sie aufgehört, als Individuum zu existieren. Ihr Herz flatterte gegen die Rippen wie ein Vogel gegen die Stangen seines Käfigs, als ihr mit einem Schlag die Unausweichlichkeit ihres Schicksals bewusst wurde.
    Plötzlich schien ihr der freundliche kleine Raum unerträglich eng und stickig, und sie hatte Mühe, ihre Hände ruhig zu halten, während sie die Knöpfe ihres Kleides öffnete. Ihre Knie wurden weich, und sie setzte sich auf die Bettkante, strich über die glänzende Seide des Brautkleids. In diesem Augenblick vermisste sie ihre Mutter mehr als je zuvor, wünschte sich, mit ihr reden zu können, fühlte sich allein und einsam wie noch nie.
    Mit ihrem bestrumpften Zeh malte sie Muster auf den Steinfüßboden, gerade, gekrümmte, gezackte, zum Schluss schließlich zwei ineinander verschlungene Kringel.
    Endlich gab sie sich einen Ruck und stand auf, ließ das Kleid von den Schultern gleiten, rollte ihre fein gestrickten Seidenstrümpfe herunter und zog das bestickte Nachthemd an, das ihr Elizabeth Simmons geschenkt hatte. Dann stand sie neben dem
    176
    Bett, sah auf die Kissen hinunter und stellte zu ihrer Beunruhigung fest, dass sie nicht genau wusste, was ihr bevorstand. Sie war hin- und hergerissen zwischen dem Gefühl von Beklommenheit vor dem, was nun unweigerlich folgen würde, und der Neugier auf dieses Geheimnis, das ihr so lange niemand hatte erklären wollen.
    Unterricht in dieser Hinsicht hatte sie nur von den Seeleuten erhalten.
    Oft hatte sie sich zwischen aufgerollten Tauen oder auf dem Boden des Beiboots versteckt und den rauen Stimmen, dem derben Gelächter gelauscht, mit gerunzelter Stirn die eindeutigen Gesten beobachtet, die die Erzählungen der Männer begleiteten. Sie fragte ihren Vater damals danach und bekam die erste und einzige Ohrfeige ihres Lebens, die mehr ihre Seele traf, als dass sie ihr wehgetan hatte. Heimlich schaute sie später die unverständlichen Ausdrücke im Wörterbuch nach. Al e fand sie nicht, aber ihre Bildung in den Dingen des Lebens machte dabei größte Fortschritte.
    Die zotigen Worte der Matrosen, die schlüpfrigen Stellen in den Büchern ihres Vaters, die dunklen Andeutungen Adeles und das, was sie vor vielen Jahren in einer warmen Sommernacht an Deck des Schiffes im Hafen von

Weitere Kostenlose Bücher