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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Leichtigkeit durch, mit der ein Mensch ein Streichholz knicken würde, und Catherine erschauerte bei der Vorstellung, wie es ihr ergehen würde, sollte sie zwischen diese grausigen Zähne geraten.
    »Heute gibt's frischen Fisch«, frohlockte einer der Männer. »Holt den Smutje, damit er das Vieh zerlegt.« Damit ergriff er einen langen Speer und stieß dem Hai mehrfach in die Kiemen und in ein Auge. Der glänzend blaugraue Körper spannte sich wie ein Flitzbogen, erzitterte heftig, und nach immer schwächer werdenden Zuckungen bleckte er in einem letzten Aufbäumen sein beeindruckendes Gebiss. Catherine schätzte den Abstand von dem blutverschmierten Plankenboden bis zur Spitze seiner Rückenflosse auf vier bis fünf Fuß.
    Der herbeigeeilte Smutje machte sich mit zwei Gehilfen daran, ihn zu zerlegen. »Wird eine gute Mahlzeit geben«, brummte er, setzte sein großes Messer an und säbelte los. Die dicke weiße Bauchhaut teilte sich, er schnitt tiefer und tiefer, und als er den Bauchraum selbst aufschnitt, entströmte dem Kadaver ein derart Ekel erregender Gestank, dass sich Catherines Magen umdrehte. Sie konnte nicht genau sagen, wonach der Fisch roch, aber sie würde sicherlich keinen Bissen davon anrühren. Zwei der bleichgesichtigen viktorianischen Jungfern übergaben sich in hohem Bogen und wanden sich anschließend vor lauter Peinlichkeit über ihre körperliche Reaktion in aller Öffentlichkeit.
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    Der Geruch saß Catherine so penetrant in der Nase, dass sie kaum ihr Frühstück, das aus Weißbrot mit Marmelade, pochier- ten Eiern und dünnem Tee bestand, herunterwürgen konnte. Plötzlich stand ihr alles bis zum Stehkragen. Die Schiffsreise, das schlechte Essen, die vielen Leute, die ihr keinen Augenblick allein mit Johann gewährten, es sei denn in ihrer winzigen Kabine. Den Gestank hatte sie satt, die groben Stimmen der Matrosen, die ewige Schlingerbewegung unter ihren Füßen. Einfach alles.
    »Morgen früh kommt Durban in Sicht, und nachmittags dann wirst du zum ersten Mal deinen Fuß auf dein neues Land setzen. Halte durch bis dahin«, flüsterte ihr Mann und drückte sie an sich.
    Sie starrte ihn aus großen Augen an. Offenbar hatte sie sich schon wieder durch ihr Mienenspiel verraten. Seine Worte jedoch weckten neue Zuversicht in ihr. »Lass uns heute ganz früh schlafen gehen und morgen mit der Sonne aufstehen, damit ich keine Sekunde von den letzten Meilen versäume«, flüsterte sie.
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KAPITEL 7
    Der große Moment kam, als die Sonne ihren Zenith schon überschritten hatte. Catherine schätzte es auf drei Uhr, als Johann sie rief. »Komm und sieh. Da liegt Natal und hinter dem Bluff Durban.« Er zeigte auf einen weit ins Meer ragenden lang gezogenen Hügel, dessen Steilhänge mit sattgrüner Vegetation überzogen waren. Aufgeregt suchte sie das Land nach Zeichen von Besiedelung ab, fand aber kein Haus, keine Rauchsäule, nichts. Über die weite Fläche des Ozeans rollten die Wellen heran, brachen sich mit fernem Donnern an wuchtigen Felsen. Der Strand schien leer, der einzige Hinweis menschlicher Anwesenheit war eine winzige Flagge, die hoch oben auf der Spitze des Bluffs flatterte. Irgendwie beruhigte sie dieses Zeichen von Zivilisation.
    »Ich sehe Löwen«, kreischte eins der Robertson-Kinder.
    »Und ich Elefanten und wilde Neger mit Speeren«, trumpfte der älteste Junge auf. Er freute sich diebisch, als er die Wirkung seiner Worte auf die Umstehenden sah.
    »0 Gott, steh uns bei«, jammerten die viktorianischen Damen und spähten angestrengt hinüber zum Land.
    Langsam umrundete ihr Schiff den Bluff, segelte dicht unter dem Festland entlang. Wie eine steile grüne Festung erhob sich der Hügelrücken neben ihnen aus dem Meer empor. Johann zeigte Catherine eine felsige Höhle an der äußersten Spitze der Landzunge.
    Hellgrüne Blättervorhänge wehten vor ihrer Öffnung, Sonnenstrahlen funkelten auf den schattigen Wassern, und das donnernde Echo der Brecher fing sich in der Höhle und schallte wie aus einem Trichter zu ihnen herüber. Auf weichen Schwingen erhob sich ein großer, weißer Vogel von der äußersten Spitze des Bluff in die Luft und entschwand mit trägen Flügelschlägen im Dunst der Ferne.
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    Catherine beschattete ihre Augen und sah ihm nach. »Könnte ein Heiliger Ibis sein, er hat einen schwarzen Kopf.« Ihr war heiß, und sie schob ihre Ärmel hoch. Johann hatte Recht gehabt, die Sonne glühte in diesen Breiten, und sie war froh, ihr dünnes Baumwollkleid angezogen

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