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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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wilde Tiere erleben. Da ist er wahrhaftig einzigartig«, sagte er zerstreut. Die Reisetasche beanspruchte seine ganze Aufmerksamkeit.
    Sie sah das nachsichtige Lächeln in seinen Mundwinkeln und wurde nur noch ärgerlicher. Machte er sich über sie lustig? »Na, dann wird er ja ein gemütliches Leben bei uns haben, nicht wahr?«
    Die Bemerkung war schnippisch und ungerecht, das hörte sie selbst, konnte es aber nicht über sich bringen, sich bei ihrem Mann zu entschuldigen. Johann wusste offenbar nicht viel über den Umgang mit der Dienerschaft, dachte sie. Nun, woher auch? Wer weiß, wie der Haushalt seiner Eltern geführt wurde, außerdem hatte er diesen schon verlassen, bevor er sich für solche Dinge hätte interessieren sollen. Das würde sie als ihre Aufgabe übernehmen müssen. Es war eine der wenigen Fertigkeiten, die sie von Adele gelernt hatte.
    »Das ist die Voraussetzung, wenn du einen großen Haushalt führen wil st, mein Kind. Früher, als unsere Umstände noch standesgemäß waren«, pflegte Adele zu bemerken, »hatten wir nie weniger Dienerschaft als sieben oder acht. Al ein zwei Hausmädchen, ein Zimmermädchen, die Haushälterin, die Stallburschen und dann unsere Köchin natürlich. Heute ist es anders. Heute muss die Haushälterin kochen und mit einem einzigen Hausmädchen auskommen, und die Wäsche macht eine Waschfrau, die nur einmal die Woche kommt.«
    Grandpere hatte die weinerlichen Klagen seiner Tochter stets ignoriert.
    Nur bei der Erwähnung der Köchin küsste er immer seine Fingerspitzen und verdrehte die Augen. »Ihre Des
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    serts, ihre Soßen ... superb, superb«, hatte er dann wehmütig gemurmelt.
    Johann unterbrach ihre Überlegungen. »Meine Werkzeuge, Samen und Vorräte sind noch im Frachtraum. Wir holen sie zum Schluss heraus, ebenso die Lebensmittelvorräte hier. Hast du alles?« Er hielt ihr die Tür auf.
    Sie nickte wortlos, sie war noch immer verschnupft.
    Das Schiff schlingerte. Die Wellen schienen höher geworden zu sein, der Wind stärker. Auch alle anderen Passagiere hatten gepackt. Das Deck war übersät von ihren Habseligkeiten. Koffer mit rundem Deckel, unzählige Wäschebündel, Hutschachteln, verschnürte Pakete, sogar ein Schrankkoffer war dabei. Die Robertson-Kinder sausten johlend dazwischen herum, stolperten dauernd über irgendwelche Gepäckstücke und gingen den angespannten Passagieren gründlich auf die Nerven.
    Auflandiger Wind war aufgekommen, der Himmel verdunkelte sich, und die lange Dünung wurde merklich höher. Die starke Strömung zerrte am Schiff, es schaukelte und rollte, schon hingen die ersten über die Reling und erbrachen sich, unter ihnen die bedauernswerte Mrs. Robertson.

    »Da kommt ein Boot. Boot in Sicht. Sie kommen!«, brüllte das älteste der Robertson-Kinder, ein blassblonder Bursche, und alle rannten hinüber zur Reling auf der Landseite und starrten gebannt dem flachen Boot entgegen.
    Es wurde von mehreren Männer gerudert.
    »Das ist das Boot des Hafenkapitäns. Sie wollen wissen, ob wir Krankheiten an Bord haben«, erklärte ihr Johann. »Wird auch langsam Zeit, es geht schon auf den Abend zu.«
    Schweigend beobachteten sie das heftig tanzende Boot. Immer wieder wurde es von einer Welle hochgehoben und um Längen zurückgeschleudert, drohte dabei fast zu kentern. Ein Mann ging über Bord, und ein Aufschrei lief durch die Zuschauer. Doch seinen Kameraden gelang es, ihn mit einem Griff an Kragen und Hosenboden zu erwischen und wieder ins Boot zu hieven.
    »Sie werden's nicht schaffen, heute wird das nichts mehr«, knurrte ein Matrose, als das Ruderboot wieder unter einem der 205
    meterhohen Brecher verschwand, »und wir werden hier noch bis morgen festsitzen, und heute Nacht ist Springflut.«
    Und so kam es. Das Boot kehrte nach weiteren vergeblichen Versuchen, die Brecher zu meistern, zurück in den Hafen. Die Passagiere saßen enttäuscht auf ihrem Gepäck herum und diskutierten aufs Lebhafteste diese neue Lage. Johann starrte mit gerunzelten Brauen hinüber zur Küste. »Der Mann hat Recht. Wir werden bis morgen an Bord bleiben müssen. Es lohnt sich nicht, wieder auszupacken. Wir können uns, so wie wir sind, für ein paar Stunden in die Koje legen. Wenigstens sind wir hier vor den Mücken sicher. Sicelo!«
    Der Zulu umklammerte den Mast und hatte die breiten Lippen fest zusammengepresst. Sein Gesicht glänzte grau wie nasser Ton. Verbissen lauschte er dem, was sein Freund ihm zu sagen hatte, antwortete mit kurzen Sätzen.

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