Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
zu haben. Sie nahm sich vor, bald einen Schneider in Durban aufzusuchen, um einige neue Sachen zu bestellen. Der Segler glitt jetzt in eine weite Bucht, die Matrosen schwärmten die Wanten hoch, hangelten sich behände an den Rahen entlang und holten die Segel ein. Der Anker rasselte ins Wasser, und das Schiff drehte bei. Al e Auswanderer hatten sich inzwischen an Deck versammelt, und das erste Gepäck stapelte sich mittschiffs.
    Angestrengt starrten alle hinüber zur Küste. Über ihnen segelten wenige schneeweiße Wolken im tiefblauen Himmel, das Meer war eine schimmernde blaue Fläche, schaumgekrönte Brecher brandeten an den endlosen Strand, der wie ein goldenes Band um die lang gezogenen, von niedrigem Grün überwucherten Dünen lag. Im Süden nahm ihr der Bluff die Sicht, im Norden verlief das Grün im weißen Dunst der Gischt zu einem zarten Aquarell. Es war so schön, dass ihr das Herz hüpfte.
    »Siehst du die Einbuchtung dort, nördlich des Bluff, ein, zwei Meilen die Küste hoch?« Johann legte den Arm um sie. »Lass deinen Blick an meinem Arm entlanglaufen, dann siehst du es. Dort mündet ein wunderschöner Fluss. Wir werden ihn überqueren, wenn wir nach Inqaba reiten.«
    Sie zog ihre Brauen zusammen. Sie litt an Höhenangst. Ihr wurde schon schwindelig, wenn sie nur von einem Pferd herunterblickte, besonders auf Brücken. Hoffentlich waren die in Natal flach und nicht von Termiten zerfressen, sondern solide, aus Stein. »Reiten? Werden uns deine Zulus nicht mit der Kutsche am Hafen erwarten?«, fragte sie enttäuscht.
    Er unterdrückte ein Schmunzeln. »Nein, mit einer Kutsche kommst du in Durban keine Meile weit. Ich habe zwei Pferde, zwanzig Ochsen und zwei Wagen bei einem Freund stehen.«
    Sie schwieg, fühlte sich etwas vor den Kopf geschlagen. Ochsenwagen?
    Das war nicht ganz so, wie sie sich ihre Ankunft vorgestellt hatte.
    202

    »Na und? Bist du aus Zucker, ma petite?«, schalt Grandpere.
    Sie musste lächeln. Natürlich war sie das nicht, und was hieß das schon? Auch in Deutschland gab es Strecken, die nur ein Ochsenkarren bewältigen konnte. Dann fiel ihr etwas ein. »Habe ich dir erzählt, dass ich mit dem >Adler< gefahren bin, der Dampfeisenbahn, die zwischen Nürnberg und Fürth verkehrt? Ein urweltlicher Anblick. Der Lärm, der Dampf, die Hektik und diese Geschwindigkeit. Es war atemberaubend. Die Landschaft flog vorbei, und man konnte bequem sitzend alles in sich aufnehmen. Hast du die Bahn noch erlebt?«
    »Nein. Einmal im Jahr sind wir zur Kirmes nach Frauenau gereist, und einmal war ich in Zwiesel. Als ich mich dann aufmachte, Amerika zu entdecken, konnte ich es nicht abwarten und nahm mir nicht die Zeit, dieses Weltwunder kennen zu lernen.«
    »Nun«, hier lächelte sie ein wenig spöttisch, »irgendwann wird die Zivilisation auch in dieses Land kommen, und eine Eisenbahn wird uns schnell und sicher von Kapstadt nach Durban tragen.« Sie seufzte. »Lass uns hinunter in die Kabine gehen und packen, ich möchte so rasch wie möglich an Land gehen.« Ihre Augen mit der Hand beschattend, hielt sie Ausschau nach dem Boot des Hafenmeisters, konnte aber noch nichts erkennen.
    »Wir haben noch Zeit. Der Hafen Natals, Port Natal, liegt innerhalb der Bucht hinter dem Bluff. Wir müssen nur heil die Einfahrt durchqueren. Ich hoffe, dass sie nicht schon wieder von einer Sandbank versperrt ist. Denn dann wird's brenzlig, dann müssen wir schwimmen.« Er lächelte fröhlich.
    In der Kabine bündelten sie ihr Bettzeug und die Kleidung, packten die Lebensmittel, die ihnen die Simmons' mitgegeben hatten, Kekse, Tee, Eingemachtes, Pökelfleisch, Dörrobst, ihre Bücher und all den Krimskrams, der sonst noch herumlag. Catherine hob ihre Tasche auf. Sie war relativ leicht, hauptsächlich enthielt sie Kleidung, trotzdem war sie verärgert, dass Sicelo nicht hier war, um ihnen zu helfen.
    »Warum hilft uns Sicelo nicht? Er liegt da oben nur an Deck und faulenzt«, fragte sie Johann.
    203
    »Er weigert sich, in den Bauch des Schiffes hinabzusteigen. Hab ich dir doch schon erklärt. So ist er nun einmal.«
    Aber so leicht ließ sie sich nicht abspeisen. Es war immer gut, Dinge sofort und restlos zu klären. »Wie kann sich ein Bediensteter weigern, einen Auftrag auszuführen?«
    Johann setzte seinen Fuß auf seine Reisetasche, um den Riemen, der sie verschloss, fester zu schnallen. »Weil Sicelo kein Bediensteter ist. Hab ich dir auch schon erklärt. Du solltest ihn als Spurensucher und im Kampf gegen

Weitere Kostenlose Bücher