Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
runzelte er die Stirn und schüttelte den Kopf.
    »Du bist größenwahnsinnig, Anton. Entschuldige«, sagte er. »Ich habe mir die Linien aller Mitarbeiter der Wache angeschaut, angefangen bei denen in Schlüsselpositionen bis hin zu unserm klempnernden Onkel Schura. Nein, du musst verzeihen, solch große Taten hält die Zukunft nicht für dich bereit. In keiner einzigen Realitätslinie.«
    »Sind Sie absolut sicher, dass Sie sich da nicht irren, Boris Ignatjewitsch?«
    Trotz allem nahm ich ihm das übel.
    »Nein, natürlich nicht. Ich bin niemals von etwas absolut überzeugt. Selbst von mir nicht. Aber die Chancen, dass du Recht hast, sind sehr, sehr gering. Glaub mir das.«
    Was ich tat.
    Im Vergleich zum Chef tendieren meine Fähigkeiten gegen Null.
    »Wir wissen also die Hauptsache nicht: den Grund?«
    »Richtig. Der Schlag zielt auf dich, daran besteht kein Zweifel. Der Wilde wird auf sehr feine und geschickte Weise gelenkt. Er glaubt, dass er gegen das Böse kämpft, hängt aber seit langem schon wie eine Marionette an ihren Fäden. Heute haben die Dunklen ihn in das Restaurant geführt, das auch du besucht hast. Haben ihm ein Opfer präsentiert. Und du bist darauf hereingefallen.«
    »Also, was machen wir jetzt?«
    »Den Wilden suchen. Das ist unsere letzte Chance, Anton.«
    »Was heißt, wir müssen ihn umbringen.«
    »Nicht wir. Wir müssen ihn nur finden.«
    »Egal. Wie schlecht er auch sein mag, wie sehr er auch irregeleitet worden ist, er ist einer von uns! Er kämpft so gut er kann gegen das Böse. Man muss ihm bloß alles erklären.«
    »Dazu ist es zu spät, Anton. Viel zu spät. Wir haben sein Auftauchen nicht bemerkt. Jetzt zieht er eine derartige Spur hinter sich her … Erinnerst du dich noch, welches Ende die Vampirin genommen hat?«
    Ich nickte. »Auslöschung.«
    »Dabei hat sie viel weniger verbrochen, zumindest aus Sicht der Dunklen. Und ebenfalls nicht verstanden, was vor sich ging. Dennoch hat die Tagwache sie für schuldig befunden.«
    »Ob das ein Zufall war?«, fragte Swetlana. »Oder sollte ein Präzedenzfall geschaffen werden?«
    »Wer weiß? Anton, du musst den Wilden finden.«
    Mein Blick traf auf seine Augen.
    »Ihn finden und den Dunklen übergeben«, sagte der Chef in strengem Ton.
    »Warum ich?«
    »Weil nur du moralisch dazu in der Lage bist. Du bist in Gefahr. Also verteidigst du dich nur. Für jeden anderen von uns wäre es ein zu großer Schock, einen Lichten auszuliefern, selbst wenn er ein spontaner, irregeleiteter Autodidakt ist. Du dagegen wirst das aushalten.«
    »Da bin ich mir nicht sicher.«
    »Doch. Und bedenke eins, Anton. Du hast nur diese Nacht. Die Tagwache wird nicht länger fackeln, morgen wirst du offiziell angeklagt.«
    »Boris Ignatjewitsch!«
    »Erinner dich an alles! Erinnerst du dich, wer im Restaurant war? Wer dem Dunklen Magier zu den Toiletten gefolgt ist?«
    »Niemand. Da bin ich mir sicher, ich habe die ganze Zeit darauf geachtet, ob er nicht herauskommt«, mischte sich Swetlana ein.
    »Dann hat der Wilde dem Magier also in der Toilette aufgelauert. Aber herausgekommen sein muss er. Erinnert ihr euch daran? Sweta, Anton?«
    Wir schwiegen. Ich erinnerte mich an nichts. Denn ich hatte versucht, den Dunklen Magier möglichst nicht anzusehen.
    »Da kam ein Mann heraus«, sagte Swetlana. »So ein, nun …« Sie dachte nach. »Ein Niemand, ein absoluter Niemand. Ein Allerweltsmensch, als ob eine Million Gesichter zusammengemischt und zu einem einzigen geknetet worden seien. Ich habe ihn nur flüchtig angeguckt und sofort wieder vergessen.«
    »Erinner dich daran«, verlangte der Chef.
    »Das kann ich nicht, Boris Ignatjewitsch. Es war irgendein Mensch. Ein Mann. Mittleren Alters. Ich habe überhaupt nicht bemerkt, dass er ein Anderer ist.«
    »Er ist ein spontaner Anderer. Er tritt noch nicht mal ins Zwielicht ein, sondern balanciert an seinem Rand entlang. Erinner dich, Sweta! An das Gesicht oder irgendwelche besonderen Merkmale.«
    Swetlana fuhr sich mit dem Finger über die Stirn. »Als er wieder herauskam, nahm er an einem Tisch Platz, an dem eine Frau saß. Eine schöne Frau mit hellbraunem Haar. Sie war geschminkt, mir fiel sogar auf, dass sie Produkte der Firma Lumenet benutzte, die ich auch ab und an verwende. Sie sind nicht sehr teuer, aber gut.«
    Trotz allem musste ich lächeln.
    »Und sie war unzufrieden«, fügte Sweta noch hinzu. »Sie lächelte, aber schief. Als ob sie noch ein wenig länger hier sitzen bleiben wollte, aber aufbrechen

Weitere Kostenlose Bücher