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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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…«
    »Die Husaren konnten lachen. Wir haben das schon fast verlernt.«
    »Dann sag mir, was wir machen sollen.« Plötzlich begriff ich, dass der Tag, der so schön zu werden versprochen hatte, den Bach hinunterging, in eine dunkle, stinkende Schlucht fiel, in der sich alter Müll türmte. »Sag’s mir! Du bist eine Große Zauberin, wirst es zumindest bald sein. Der General in unserem Krieg. Während ich nur ein einfacher Leutnant bin. Gib mir einen Befehl, und zwar den richtigen. Sag, was soll ich tun?«
    Erst in dem Moment fiel mir auf, dass sich im Wohnzimmer Stille herabgesenkt hatte, dass alle uns zuhörten. Aber das war mir schon völlig egal.
    »Sagst du, ich soll hinausgehen und Dunkle umbringen? Dann geh ich. Das ist nicht meine Stärke, aber ich werde mir alle Mühe geben! Sagst du, ich soll lachen und den Menschen Gutes bringen? Dann tu ich das. Nur wer wird dann für das Böse einstehen, dem ich die Bahn breche? Gut und böse, Licht und Dunkel, ja, wir wiederholen diese Worte immer wieder, verwischen ihren Sinn, tragen sie wie Banner vor uns her und lassen sie dann in Wind und Regen verfaulen. Dann gib mir ein neues Wort! Gib mir ein neues Banner! Sag mir, wohin ich gehen und was ich tun soll!«
    Ihre Lippen zitterten. Ich stockte, aber es war schon zu spät.
    Swetlana weinte, die Hände vors Gesicht geschlagen.
    Warum hatte ich das getan?
    Oder hatten wir tatsächlich verlernt, einander anzulächeln?
    Selbst wenn ich hundertmal Recht hatte, aber …
    Was ist meine Wahrheit wert, wenn ich bereit bin, die ganze Welt zu verteidigen, aber nicht diejenigen, die mir nahe stehen? Wenn ich den Hass bezwinge, aber die Liebe nicht mehr zulassen kann?
    Ich sprang auf, umarmte Swetlana, zog sie aus dem Wohnzimmer. Die Magier blieben stehen, wandten den Blick ab. Vielleicht hatten sie eine solche Szene schon oft gesehen. Vielleicht verstanden sie auch alles.
    »Anton.« Völlig lautlos war Tigerjunges aufgetaucht, stieß gegen irgendeine Tür, öffnete sie. Sah mich mit einer Mischung aus Vorwurf und unvermutetem Verständnis an. Und ließ uns beide allein.
    Eine Weile standen wir reglos da. Swetlana weinte leise, vergrub den Kopf an meiner Schulter, während ich abwartete. Zu sagen gab es nichts mehr. Ich war schon mit allem herausgeplatzt, was mir in den Sinn gekommen war.
    »Ich werde es versuchen.«
    Das hatte ich nicht erwartet. Alles andere: Beleidigungen, einen Gegenausfall, Vorwürfe – aber nicht das.
    Swetlana nahm die Hände vom tränenfeuchten Gesicht. Schüttelte lächelnd den Kopf. »Du hast Recht, Antoschka. Völlig Recht. Ich beklage und beschwere mich bisher nur. Jammere wie ein Kind, verstehe nichts. Dabei stupst man mich mit der Nase in den Grießbrei, erlaubt mir, mit Feuer zu spielen, und wartet ab, wartet, bis ich reifer bin. Dann muss das alles wohl so sein. Ich werde es versuchen. Ich gebe dir ein neues Banner.«
    »Sweta …«
    »Du hast Recht«, unterbrach sie mich. »Aber ein bisschen habe ich auch Recht. Nur nicht darin, dass ich mich vor den anderen so habe gehen lassen. Sie amüsieren sich so gut sie können. Genauso wie sie sich so gut sie können schlagen. Wir haben jetzt ein paar freie Tage, die sollten wir den anderen nicht verderben. Abgemacht?«
    Erneut spürte ich die Mauer. Die unsichtbare Mauer, die immer zwischen mir und Geser stehen wird, zwischen mir und den Leuten von der höchsten Führungsebene.
    Jene Mauer, die die Zeit zwischen uns errichtet. Heute habe ich sie eigenhändig um ein paar Reihen kalter Kristallsteine weiter hochgezogen.
    »Verzeih mir, Sweta«, flüsterte ich. »Verzeih mir.«
    »Vergessen wir das«, sagte sie fest entschlossen. »Lass uns nicht mehr daran denken. Noch können wir es vergessen.«
    Schließlich sahen wir uns um.
    »Das Arbeitszimmer?«, vermutete Sweta.
    Die Bücherschränke aus dunkler Eiche, die Bände hinter dunklem Glas. Ein beeindruckender Schreibtisch, auf dem ein Computer stand.
    »Ja.«
    »Aber Tigerjunges lebt doch allein, oder?«
    »Ich weiß nicht.« Ich schüttelte den Kopf. »Wir fragen einander nicht aus.«
    »Ich glaub schon, dass sie allein lebt. Zumindest jetzt.« Swetlana holte ein Taschentuch heraus und tupfte sich vorsichtig die Tränen weg. »Sie hat ein schönes Haus. Gehen wir, sonst machen sich die anderen noch Sorgen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Sie werden sicherlich spüren, dass wir uns nicht streiten.«
    »Nein, das können sie nicht. Hier sind alle Zimmer abgeschirmt, sie werden nichts

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