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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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mitbekommen.«
    Indem ich durchs Zwielicht spähte, bemerkte auch ich das in den Wänden verborgene Flimmern. »Jetzt sehe ich es. Du wirst mit jedem Tag stärker.«
    Swetlana lächelte, ein wenig angespannt noch, aber stolz. »Komisch«, sagte sie. »Warum baut man Barrieren ein, wenn man allein lebt?«
    »Aber warum sollte man sie aufstellen, wenn man nicht allein lebt?«, fragte ich. Halblaut, um keine Antwort herauszufordern. Und Swetlana gab auch keine.
    Wir gingen aus dem Arbeitszimmer zurück ins Wohnzimmer.
    Es herrschte zwar nicht gerade Friedhofsstimmung, aber viel fehlte nicht.
    Wessen Werk das wohl war? Semjons oder Iljas? Im Zimmer hing eine nach Moor riechende Feuchtigkeit. Ignat hatte Lena im Arm und schaute sehnsüchtig auf die anderen. Er liebte Heiterkeit, in allen ihren Formen, jeder Streit und jede Anspannung trieben ihm ein Messer ins Herz. Die Kartenspieler starrten auf eine einzige Karte, die auf dem Tisch lag und unter ihren Blicken erbebte, sich krümmte, die Farbe und den Wert änderte. Die leicht eingeschnappte Julja stellte Olga leise eine Frage.
    »Gießt ihr uns was ein?«, fragte Sweta, die meine Hand hielt. »Weiß denn niemand, was für hysterische Weiber die beste Medizin ist? Fünfzig Gramm Kognak.«
    Tigerjunges, die mit unglücklicher Miene am Fenster stand, ging rasch zur Bar. Ob sie sich unseren Streit zuschrieb?
    Sweta und ich nahmen beide ein Glas Kognak, stießen demonstrativ an und küssten uns. Ich fing Olgas Blick auf: Er war nicht erfreut, nicht betrübt, aber neugierig. Und ein wenig eifersüchtig. Wobei die Eifersucht nicht von dem Kuss herrührte.
    Mit einem Mal fühlte ich mich unbehaglich.
    Als ob ich aus einem Labyrinth herausgekommen sei, durch das ich lange Tage und Monate geirrt war. Herausgekommen – um den Eingang zu den nächsten Katakomben zu erblicken.

Zwei
    Erst zwei Stunden später konnte ich mit Olga unter vier Augen sprechen. Die Gesellschaft, deren Heiterkeit Swetlana so gewollt vorkam, hatte sich inzwischen nach draußen verlagert. Semjon schaltete und waltete am Grill seines Amtes und teilte an alle Hungrigen Schaschlik aus, das er mit einer Geschwindigkeit zubereitete, welche eindeutig auf die Zuhilfenahme von Magie hinwies. Neben ihm standen noch zwei Kästen mit trockenem Wein im Schatten.
    Olga plauderte angeregt mit Ilja. Beide hielten einen Schaschlikspieß und ein Glas Wein in Händen. Es war schade, diese Idylle zu stören, aber …
    »Olga, ich muss mit dir reden«, sagte ich, als ich an die beiden herantrat. Swetlana war völlig in ein Gespräch mit Tigerjunges vertieft – die beiden Frauen diskutierten voller Eifer den traditionellen Neujahrskarneval der Wache, wobei sie mit der verzwackten Logik von Frauen von der aktuellen Hitze zu diesem Thema sprangen. Ein günstiger Moment.
    »Entschuldige, Ilja.« Die Zauberin breitete die Arme aus. »Wir kommen noch darauf zurück, ja? Mich interessiert sehr, welche Gründe du für den Zusammenbruch der Sowjetunion siehst. Auch wenn du Unrecht hast.«
    Der Magier lächelte triumphierend und ging davon.
    »Frag schon, Anton«, fuhr Olga im selben Ton fort.
    »Du weißt, was ich will?«
    »Ich vermute es.«
    Ich blickte mich um. Niemand stand in unserer Nähe. Noch dauerte die kurze Phase eines Datschenpicknicks an, in der du nur essen und trinken willst, weder der Magen zu voll noch der Kopf zu schwer ist.
    »Was kommt auf Swetlana zu?«
    »Es ist schwer, die Zukunft vorherzusagen. Und erst recht, was die Zukunft von Großen Magiern und Zauberinnen …«
    »Keine Ausflüchte, Partnerin.« Ich blickte ihr die Augen. »Das ist nicht nötig. Haben wir zusammen nicht schon einiges durchgestanden? Als Team gearbeitet? Vor gar nicht allzu langer Zeit standest du noch unter Strafe, und dir war alles entzogen, sogar dein Körper. Und deine Strafe war angemessen.«
    Das Blut wich aus Olgas Gesicht. »Was weißt du von meiner Schuld?«
    »Alles.«
    »Woher?«
    »Schließlich bearbeite ich Daten.«
    »Zu meinen hast du keinen Zugang. Mein Fall ist nie in die digitalisierten Archive gelangt.«
    »Es gibt indirekte Daten, Olga. Hast du schon mal die Kreise auf dem Wasser gesehen? Der Stein kann seit langem am Boden liegen, von Schlamm bedeckt sein, aber die Kreise breiten sich immer noch aus. Unterspülen die Böschung, tragen Müll und Gischt ans Ufer, lassen Boote kentern, wenn der Stein groß genug war. Und dieser war sehr groß. Geh davon aus, dass ich lange am Ufer gestanden habe, Olga. Dort gestanden und

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